Okay, Google, her mit dem Geld: Google Pay ist in Deutschland angekommen

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Auf zwei Jahrzehnte des Scheiterns blicken Dienstleister zurück, die in Deutschland das Bezahlen mit dem Mobiltelefon etablieren wollten. Was in anderen Ländern längst selbstverständlich ist, haben die Verbraucher hierzulande mit Nichtachtung gestraft. Jetzt nimmt Google einen neuen Anlauf – und so mancher Händler fragt sich, ob es den Aufwand wert ist, dabei ein Stück mitzulaufen.

Seit dem 26. Juni 2018 können Käufer in Deutschland ihre Android-Smartphones nutzen, um an geeigneten Supermarkt- und anderen Kassen, aber auch in Online-Shops zu bezahlen. Händler, die erwägen, ihren Kunden das Bezahlen per Google Pay zu ermöglichen, sollten die Zahl potentieller Kunden allerdings nicht zu hoch einschätzen.

Zunächst einmal sind da die technischen Beschränkungen: Nur Nutzer von Smartphones mit einem Android-Betriebssystem ab Version 5.0 und einem verbauten NFC-Chip können Google Pay an der Kasse nutzen. Der Kreis potentieller Nutzer dieses Systems ist aber noch ein Stück kleiner, denn neben der erforderlichen Hardware benötigen Google Pay-Nutzer für das kontaktlose Bezahlen auch noch die richtige Bankverbindung. Bislang arbeitet Google Pay mit Kredit- oder Debitkarten, wenn diese von Boon., der Comdirect, der Commerzbank, oder N26 stammen, demnächst sollen die Landesbank Baden-Württemberg und der Bezahldienstleister Revolut hinzukommen. Lediglich Online-Händler müssen sich darum keine Sorgen machen, für das Bezahlen in Apps und Online-Shops kann Google Pay auch alle anderen Kreditkarten.

Banken zögern, Händler nicht

Während sich die Banken in Deutschland offenbar überwiegend noch nicht sicher sind, ob sie durch eine Kooperation mit dem US-Riesen nicht vielleicht ihr eigenes Geschäft torpedieren, ist die Zahl der Händler, die Google Pay akzeptieren, von Beginn an relativ hoch. Aldi und Lidl, MediaMarkt und Saturn, McDonalds und Tchibo gehören dazu, und etliche Cafés, Tankstellen, Baumärkte, Hotelbuchungsplattformen bis hin zum Fernbus-Service Flixbus.

Die großen Verbrauchermärkte tun sich allerdings auch relativ leicht, ihren Kunden diese Bezahlmöglichkeit einzuräumen: Grundsätzlich müssen Kassenterminals an der Ladenkasse das kontaktlose Bezahlen per NFC (Near Field Communication) unterstützen. Damit kommen nach einer Schätzung des Handelsblattes  rund 475.000 Kassenterminals in Deutschland für dieses Bezahlsystem in Frage. Ein Händler, der bereits ein geeignetes Kassensystem einsetzt, muss weder Geld in geeignete Hardware investieren, noch allzu viel Aufwand treiben.

Verbraucher haben die Qual der Wahl

Dass so viele Kassen bereits NFC-fähig sind, wirft ein Schlaglicht auf ein grundsätzliches Problem von Lösungen wie Google Pay in Deutschland. Es gibt vielleicht schon zu viele solcher Lösungen: Die Sparkassen wollen Googles Angebot nicht unterstützen, sondern mit einer eigenen Lösung dagegenhalten, und die Volks- und Raiffeisenbanken stoßen ins gleiche Horn. Postbank-Kunden können schon seit Ende 2017 mit einer separaten Lösung mobil bezahlen, und dank der NFC-Chips in etlichen Kredit- und Girokarten haben viele Käufer ohnehin die Möglichkeit, kontaktlos zu bezahlen. Die kleine Unbequemlichkeit, dazu immer noch die Kreditkarte bei sich haben zu müssen, nehmen die Nutzer in Kauf, ersparen sie sich doch auf der anderen Seite die Installation und Konfiguration einer weiteren App. Der Zugewinn an Bequemlichkeit könnte aus Sicht vieler Deutscher zu gering ausfallen, als dass sie sich auf noch eine Methode einließen, sich das Geld aus der Tasche ziehen zu lassen.

Einen echten Zugewinn an Komfort könnte Google Pay bislang nur beim Bezahlen in Online-Shops bieten: Käufer, die die Apps oder mobilen Websites ihrer Händler über das Smartphone aufrufen, ersparen sich mit Google Pay eventuell einige Tipperei beim Bezahlen. Aber auch da ist die Konkurrenz groß: Stammkunden von Amazon etwa, die deren „1-Click-Bestellungen“ nutzen, dürften keinen Mehrwert wahrnehmen, und die Nutzer von Bezahldienst-Platzhirsch Paypal profitieren zusätzlich von Nebenleistungen wie dem „Käuferschutz“ oder der Erstattung von Rücksendekosten.

Fazit: Massenmarkt fraglich

 „Gerade in Deutschland brauchen die Anbieter innovativer Zahlungsservices einen langen Atem. Neugier und Vertrauen der Verbraucher halten sich derzeit noch in engen Grenzen.“

Dr. Torsten Melles, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Nordlight Research

Ob Google Pay sich auf dem harten deutschen Boden etablieren kann, ist zumindest unsicher. Händler, die ihre Kassen und Online-Shops ohne große Investitionen fit für das neue Bezahlsystem machen können, mögen den potentiellen Käuferkreis damit geringfügig vergrößern. Auch wenn ohnehin demnächst die Anschaffung eines neuen Kassensystems geplant ist, ist es sicher kein Fehler, ein NFC-taugliches Terminal zu beschaffen – das nutzen nämlich auch die konkurrierenden Bezahlangebote derjenigen Banken, die bislang nicht mit Google Pay kooperieren. (dme)