Möbel shoppen smart gemacht

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Wie Smartphone-Apps dem stationären Möbelhandel nutzen: Das Möbelgeschäft findet primär offline statt. Zwar kaufen immer mehr Menschen ihre Einrichtungsgegenstände online – eine Studie der BDZV von Juni 2018 zeigt jedoch, dass noch immer 81 Prozent der Konsumenten den Möbelkauf im stationären Handel präferieren. Dafür nehmen sie im Schnitt sogar einen Weg von 33 Kilometern auf sich. Kann das Möbelgeschäft dem digitalen Wandel entfliehen?

Viele haptische Eindrücke, wie das Probesitzen auf einer Couch oder das Schließen einer Schranktür, lassen sich digital nicht abbilden. Trotzdem bietet die digitale Welt viele Möglichkeiten für stationäre Händler, ihre Absatzchancen zu steigern. Denn der Entscheidungsprozess für ein bestimmtes Möbelstück beginnt immer öfter bereits zuhause, noch bevor der Kunde das Geschäft betritt. In den sozialen Medien und in Online-Blogs findet gerade die junge Generation viel Inspiration für die Gestaltung ihrer Wohnfläche. Um nachhaltig im Wettbewerb zu bestehen, müssen Unternehmen daher On- und Offline-Erlebnisse miteinander verknüpfen und die Customer Journey vom Smartphone bis ins Geschäft begleiten.

Digital entscheiden, stationär kaufen

Das Einkaufserlebnis beginnt schon in den eigenen vier Wänden. Neben dem Einfluss der sozialen Medien auf den Entscheidungsprozess, bietet auch Augmented Reality (AR) zunehmend Orientierungshilfe für das Zuhause. Vorreiter ist hier “IKEA Place”. Mit der App des schwedischen Möbelriesen lässt sich beispielsweise die Küche gestalten oder das Sofa in die Wohnzimmerecke rücken – zumindest auf dem Smartphone Display. Die App erfasst das Zuhause des Nutzers und schlägt verschiedene Möbelstücke vor, die Kunden direkt miteinander vergleichen können. Kunden können außerdem Einrichtungsgegenstände, die ihnen gefallen, fotografieren und die App sucht dann ähnliche Produkte von IKEA heraus. Ganz ähnlich funktioniert auch die Roomdesigner App des Münchner Möbelunternehmens KARE. Sie integriert Sofas, Lampen und Accessoires realistisch in 3D in die erfasste Umgebung auf dem Smartphone oder Tablet. Damit soll Nutzern das lästige Ausmessen ihrer Wohnung erspart bleiben. Wenn ein Produkt passt, können Nutzer es direkt in den Warenkorb legen und die Bestellung an das lokale Möbelhaus senden, das ihnen dann ein Angebot erstellt.

Mit solchen Apps können Kunden Unsicherheiten bezüglich Größe oder Farbe eines bestimmten Produkts schon beseitigen, bevor sie den Laden betreten. Das erhöht nicht nur die Kaufbereitschaft, sondern vor allem auch die Chance, dass der Konsument den Weg ins Möbelhaus überhaupt erst auf sich nimmt. Denn Möbelkäufe sind häufig aufwendig und zeitintensiv. Kaufberater für das Smartphone helfen, den Einkauf effizienter zu gestalten, da sie schon vorher genau wissen, welche Produkte sie suchen. Im Geschäft fällt dann noch die finale Kaufentscheidung: Beim Probesitzen oder -fühlen.

Herausforderungen für App-Entwickler und Händler

Soweit die Theorie. In der Praxis wird dieser Multichannel-Ansatz trotz großer Ambitionen der Möbelhändler noch sehr selten umgesetzt. Grund dafür ist unter anderem die Komplexität von Zielgruppen und Endgeräten. Damit Anwendungen einen echten Mehrwert schaffen, müssen sie Geräteübergreifend auf einer Vielzahl von Betriebssystemen funktionieren, intuitiv bedienbar sein und sich bestenfalls nahtlos in die Customer Journey einfügen. Ungenauigkeiten und Latenzen führen schnell dazu, dass der Nutzer frustriert ist und die Anwendung abbricht.

Gerade Augmented Reality Apps sind jedoch in ihrer Entwicklung sehr komplex. So müssen sie beispielsweise Größenverhältnisse und Räumlichkeiten besonders präzise erfassen, um tatsächlich nützlich zu sein. Das stellt die Entwickler und Händler vor zusätzliche Herausforderungen.

Um sicherzustellen, dass ihre Anwendung gut funktioniert und den Kunden bei ihrer Kaufentscheidung hilfreich begleitet, müssen Unternehmen ihre Apps nahe am Anwender testen. Eine sinnvolle Kombination aus manuellen Tests in Alltagssituationen und automatisierten Tests kann die Komplexität der neuen digitalen Produkte abdecken. Reale Nutzer bringen den nötigen menschlichen Verstand und die Kreativität mit, mit der sowohl oberflächliche als auch schwerwiegende Mängel gefunden werden können. Solche Fehler werden im unternehmensinternen Qualitätscheck oft nicht erkannt.

Langfristig wird sich auch der Möbelhandel nicht dem digitalen Wandel entziehen. Apps wie die von IKEA zeigen schon jetzt, in welche Richtung es gehen kann. Sie haben das Potenzial, das Einkaufserlebnis zu verbessern, die Bindung zwischen Unternehmen und Kunde zu stärken und die Absatzchancen für Händler zu steigern. Auch wenn der finale Kauf meist noch im stationären Möbelhaus erfolgt, müssen Händler verstehen, dass der Entscheidungsprozess bereits im Smartphone beginnt.

Über den Autor: Jan Wolter leitet als General Manager für Applause den europäischen Geschäftsbereich und ist verantwortlich für den Ausbau des Unternehmens im europäischen Markt. Er verfügt über jahrelange Erfahrung in der Umsetzung und Skalierung von innovativen Softwaretesting-Lösungen für Unternehmen verschiedenster Branchen und Größenordnungen.