Künstliche Intelligenz ist im Digital-Signage-Bereich stark im Kommen, genauso wie in vielen anderen Branchen. Doch die Spannweite, wenn von „KI“ gesprochen wird, ist sehr groß. Grundsätzlich müssen wir zwischen Bots und wirklich „intelligenter“ Software unterscheiden, welche „lernen“ kann.
Bots sind feste Wenn-Dann-Programmierungen, bei dem auf ein Ereignis X ein definiertes Ereignis Y folgt. Einer 30-jährigen Mutter mit Kleinkind, die eine Bank betritt, wird beispielsweise auf einem Signage-Display eine andere Werbung ausgespielt, als einem 60-jährigen Ehepaar, das dieselbe Bank betritt.
Künstliche Intelligenz dagegen arbeitet ergebnisoffener, mit Handlungsvarianzen. Hier werden zwar auch viele Sensorenwerte einbezogen, miteinander verknüpft und Korrelationen berechnet, allerdings wird zusätzlich mit verschiedenen Ausgangssignalen „gespielt“ und dann mit den Ergebnissen wieder abgeglichen. Dadurch findet eine laufende Optimierung statt: Das Lernen eines PCs.
Am Beispiel der 30-jährigen Mutter mit Kleinkind bedeutet dies: Sie bekommt an unterschiedlichen Tagen durchaus unterschiedliche Werbeanzeigen oder Informationen ausgespielt. Die Software liest dann über hochauflösende Kameras Variablen wie Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Kopfbewegung, Blickrichtung und Verweildauer, um so Korrelationen selbstständig zu finden und entsprechend in künftigen Ausspielungen zu berücksichtigen. Heutige Digital-Signage-Software-Lösungen nutzen bis zu 20 erkannte Merkmale einer Person für die Berechnung des Ausspielinhalts. Dies alles passiert binnen Sekundenbruchteilen.
Die KI im Digital-Signage-Bereich interessiert sich für Muster, nicht für persönliche Daten
Eine solche detailgenaue Erfassung von Personenmerkmalen mithilfe hochauflösender Kameras ruft natürlich auch Bedenken auf den Plan. Diese kann ich soweit zerstreuen, als dass keinerlei personenbezogene Daten erfasst werden. Denn intelligente Digital-Signage-Software interessiert sich gar nicht für persönliche Daten. Es ist völlig irrelevant, wer die erfassten Personen sind. Von Interesse für die KI sind unter anderem erkannte Bewegungsmuster, Kleidungsstile, Alter oder Geschlecht.
Im Fall der 30-jährigen Mutter mit Kleinkind in der Bank bedeutet dies: Die Digital-Signage-Software interessiert nicht, wie die Frau heißt, wer sie ist; von Interesse ist, dass sie eine Frau ist, ein Kind hat, wann sie in die Bank kommt, wie sie sich dort bewegt bzw. wie lange sie wo verweilt, wie sie gekleidet ist und wie alt sie von den Algorithmen geschätzt wird. Diese Informationen füllen eine Tabelle – eine Datenbank. Das Bild kann sofort wieder gelöscht werden.
Wir müssen also klar unterscheiden zwischen persönlichen Daten, die selbstverständlich geschützt werden müssen, und anonymen Daten. Die Bildanalyse gibt nur erkannte Muster im Sinne einer anonymen Umfrage in Tabellenform weiter. Eine Person vor einer KI-Kamera ist damit nur eine Tabelle von Eigenschaften, auf die eine Auswertung und ein Ergebnis folgen, in diesem Fall das Ausspielen von auf die wahrscheinliche Lebenssituation passgenau zugeschnittener Werbung. Wenn ich also rein quantitativ Personenmerkmale erfasse und diese unabhängig von der eigentlichen individuellen Videosequenz speichere, sind das anonyme, unpersönliche Daten.
Videos oder Bilder werden übrigens auch nicht gespeichert. Dazu wären die Datenmengen viel zu groß und die einzelne Videosequenz ist wie gesagt uninteressant. Von Interesse ist dagegen das Ergebnis, also die Entscheidungen der Software. Denn Künstliche Intelligenz ist mit maschinellem Lernen eng verknüpft. Dazu muss man wissen, dass wir im Fall von KI im Digital-Signage-Bereich von großen Netzwerken sprechen, nicht nur von zwei oder drei Stores. Es werden Videosequenzen von vielen Tausenden Ausspielpunkten ausgewertet. Diese Auswertungen werden für die Berechnungen zukünftiger Ergebnisse herangezogen. Insofern lernt die KI aus dem Pool von Signage-Inhalten ständig dazu. Umso größer die Netzwerke sind, desto besser und desto genauer und schneller kann die Software Zusammenhänge und Korrelationen lernen.
Relevanz und Individualität: KI und Digital Signage werten den physischen Handel auf
Ein solcher Pool von „Ausspiel-Mustern“ gibt Marketingstrategen nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten an die Hand. Wichtig sind hier die Punkte Relevanz und Individualität: Werbe- und Informationsbotschaften können passgenauer ausgespielt werden denn je.
Nehmen wir noch einmal das Beispiel Bank: Diese möchte gerade junge Neukunden gewinnen und wirbt „ganz klassisch“ mit Papierplakaten für ihr Jugendkonto, die überall in der Bank aufgehängt sind. Das passt aber nicht zu einem 55-Jährigen, der nun diese Bank betritt. Unter Umständen nervt diesen Bankkunden die Werbung vielleicht. Oder er fühlt sich einfach nicht richtig angesprochen und fragt sich: Will mich diese Bank überhaupt als Kunden haben?
Hier kommt intelligente Digital Signage ins Spiel. So bekommt dieser 55-jährige Bankkunde vielleicht eine Information zu einem „Altersruhesitz für nur 2000 Euro im Monat auf Mallorca“ ausgespielt, während der Jugendliche Informationen über sein erstes kostenloses Gehaltskonto und die junge Mutter über einen Sparplan für die „Ausbildung an einer Spitzenuni in den USA“ erhält.
Diese Beispiele zeigen, wie KI-Lösungen und Digital Signage helfen, Kunden individuell anzusprechen, und damit sympathisch abzuholen. Jeder bekommt seinem Alter und seiner Lebenssituation entsprechend angepasste Werbung. Die Hausbank kann sich so wieder als echte Hausbank für ein sehr breites Publikum positionieren. Das ist übertragbar auf den gesamten Bereich des stationären Handels. Filialen eines Bekleidungsunternehmens adressieren Kunden unterschiedlichen Alters authentisch. Eine Bäckerei fängt mit augenzwinkernder Display-Werbung hungrige Laufkundschaft ein. Und eine Supermarktkette promotet die Angebote der kommenden Woche, immer ein anderes Highlight, entsprechend der Zielgruppe, die am Display gerade vorbeiläuft.
Ein zusätzlicher Baustein in der Ausgestaltung einer möglichst perfekten Customer Journey
Dieses Gedankenspiel lässt sich noch weitertreiben. Wenn wir zum Beispiel die gesamte Customer Journey heranziehen, lässt sich das Ergebnis verfeinern, indem wir die Daten vor einem Display mit weiteren Daten, etwa Abverkaufsdaten aus dem Kassenbereich und dem Online-Store, Pickup-Mustern in Geschäften, Bewegungsdaten in einem Store oder der Verweildauer auf bestimmten Onlineproduktseiten verknüpfen und diese in die Ergebnisberechnung einbeziehen. Angebunden an Digital-Signage-Lösungen im Store, können Werbeausspielungen so noch weiter individualisiert und besser auf die Zielgruppe zugeschnitten werden.
Die Zukunft wird sein, vom ersten „Touchpoint“ an, wo auch immer dieser stattfindet, den Kunden mit relevanten Informationen zu versorgen und auf seiner Experience-Journey online und offline informativ und unterhaltend zu begleiten. Digital Signage leistet hier nicht nur einen enorm nützlichen Beitrag, sondern fungiert als Schlüssel zur Revitalisierung des stationären Handels.
Autor: Mike Finckh, CEO von Concept International, einem Value Added Distributor für Hardware an Digital-Signage-Lösungsanbieter.