„the good, bad and ugly” in der neuen Normalität bei der Konsumgüterbranche

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Das Jahr 2020 war ein Schicksalsjahr für viele Konsumgüter-, Einzelhandels- und Logistikunternehmen – und das Jahr hat gezeigt, wer zukunftssicher aufgestellt ist und wer nicht. Diejenigen, die ihren Betrieb in die Online-Welt verlagert oder dadurch zusätzliche Kanäle geschaffen haben, waren erfolgreich. Unternehmen, die diesen Schritt verpasst haben, kämpfen um ihr wirtschaftliches Überleben.

Auch wenn die aktuellen Entwicklungen rund um die Pandemie Anlass zur Hoffnung geben, dass die Welt in Kürze wieder zur Normalität zurückkehren kann, kommen auf die verbrauchernahen Branchen zahlreiche komplexe Herausforderungen zu. Nur wenn Unternehmen diese rechtzeitig adressieren, können sie sich zukunftssicher aufstellen und erfolgreich sein.

The Good: Diejenigen, die sich angepasst haben, sind erfolgreich

Trotz aller Belastungen und Herausforderungen florieren die Organisationen, die ihr Geschäft erfolgreich digitalisiert und in die Online-Welt verlagert haben. Die englische Supermarktkette Tesco konnte beispielsweise ihren Online-Umsatz verdoppeln – der Gewinn stieg damit in der ersten Jahreshälfte 2020 um 29 Prozent.

Tatsächlich befinden sich einige traditionelle Einzelhändler mit stationären Geschäften in einer stärkeren Position als Digital Natives wie Amazon. Ihre zu Fulfillment-Zentren umfunktionierten Läden, die sich innerhalb der Stadtgrenzen befinden, können schneller liefern als größere Online-Unternehmen, deren große Fulfillment-Zentren sich oftmals außerhalb von Städten befinden.

Unternehmen, die keine eigenen Liefersysteme haben, sind Partnerschaften mit Lieferplattformen eingegangen, um eine schnelle Bereitstellung von Ware zu ermöglichen.

Die Krise hat zudem dazu geführt, dass Verbraucher zunehmend lokal einkaufen. Laut einer Studie von Brightpearl  geben 63 Prozent der Käufer an, vermehrt auf Anbieter aus der Region setzen zu wollen. Auf diese Weise können auch lokale und kleine Einzelhändler, die ihre Kunden gut bedienen können, erfolgreich sein.

The Bad: Diejenigen, die sich nicht anpassen konnten, sind gestolpert

Doch nicht alle Unternehmen profitieren von dieser Entwicklung: Firmen, die eine physische Präsenz benötigen, haben gelitten. Die Gastronomie wurde beispielsweise von der Corona-Krise besonders hart getroffen. Allein zwischen März und August 2020 sanken die Umsätze in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40,5 Prozent . Der deutsche Einzelhandel beklagte im vergangenen Jahr Umsatzverluste von 36 Milliarden Euro, die durch den Lockdown entstanden sind.

Die Branche erhält zwar Unterstützung durch die Bundesregierung, doch laut Aussagen des Handelsverband Deutschland (HDE) gehen 80 Prozent der Händler davon aus, dass die Hilfsmaßnahmen nicht ausreichen, um ihr Geschäft zu retten. Knapp 60 Prozent der Unternehmen in den Innenstädten stehen ohne weitere staatliche Hilfen vor dem Aus – damit drohen fast 50.000 Einzelhändlern die Insolvenz.  Auch die Umsätze von Luxusgütern brachen weltweit um 25 Prozent ein und könnten laut einer Studie der Boston Consulting Group  erst im Jahr 2023 wieder das Niveau von vor Krise erreichen.

Der wirtschaftliche Überlebenskampf wird auch nach der Pandemie noch anhalten: Denn nach dem Lockdown werden Verbraucher Zeit und Geld voraussichtlich eher in Reisen und Freizeitaktivitäten investieren als in den Einzelhandel. Konsumgüterunternehmen und Einzelhändler müssen hart arbeiten, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu gewinnen und zu behalten.

The Ugly: Notwendige strukturelle Änderungen

E-Commerce rettet zahlreiche Konsumgüter-, Einzelhandels- und Logistikunternehmen während der Pandemie. Aber der Mechanismus, der dieses gesamte Ökosystem orchestriert, ist überfordert und kann das schnelle Wachstum kaum noch bewältigen.

Die Lieferung an den Kunden wird mit zunehmender Online-Nutzung immer wichtiger. Bekleidungshändler, die keine eigenen starken Logistiksysteme haben, kooperieren mit ihren Lieferkettenpartnern, um Bestellungen zu erfüllen. Viele haben ihre Läden in Fulfillment-Zentren umgewandelt und die Mitarbeiter in den Läden helfen bei der Bearbeitung von Online-Bestellungen (Click & Collect Modell). Der Bedarf an ultraschneller Lieferung im Lebensmittelsektor treibt darüber hinaus Partnerschaften zwischen Supermärkten und Lieferplattformen voran.

Für Großbritannien kommen durch den Brexit noch zusätzliche Herausforderungen hinzu: Seit dem 1. Januar 2021 wird jede Sendung zwischen dem Markt und dem Rest Europas als Import und Export betrachtet – dies erhöht sowohl die Kosten als auch den Zeitaufwand für die Zollabfertigung.

Retouren sind eine weitere Herausforderung, mit der sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Zurückgesandte Produkte schmälern den Gewinn der Firma aufgrund der Kosten für die Rückwärtslogistik und die Lagerhaltung. Allerdings sind sie notwendig, um Kunden zu gewinnen. Laut einer von Klarna  durchgeführten Studie würden 96 Prozent der Käufer aufgrund der Rückgaberichtlinien erneut bei einem Verkäufer einkaufen. 69 Prozent von ihnen wünschen sich eine kostenlose Abholung der Ware.

Der Blick nach vorne: Ökosystem ausbauen und agil sein

2021 müssen verbraucherorientierte Unternehmen ihre digitale Transformation weiter beschleunigen. Aber noch wichtiger ist dabei, dass die Lieferketten sehr agil und belastbar sein müssen, um schnell auf das sich verändernde Umfeld reagieren zu können. Dies erfordert eine verstärkte Zusammenarbeit mit Partnern und vielleicht sogar Wettbewerbern – in der gesamten Branche und in angrenzenden Ökosystemen. In der Tat könnte 2020 das Jahr gewesen sein, das die Konsumgüter-, Einzelhandels- und Logistikbranche dazu zwingt, sich nicht mehr als „Coopetition“ zu sehen, sondern als echte Partner. Nur mithilfe neuer, vernetzter Fulfillment-Modelle können sie außergewöhnliche Kundenerlebnisse schaffen und erfolgreich sein. Covid-19 hat uns hart getroffen, aber die Branche wird gestärkt aus der Krise hervorgehen und den Anforderungen des 21. Jahrhunderts besser gewachsen sein.