Omnichannel: Was Kunden wirklich wollen

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Händler wissen genau, was ihre Kunden wollen. Zumindest glauben sie das. In Wirklichkeit jedoch sind die wenigsten Filialisten die Kundenflüsterer, für die sie sich halten. Denn zwischen (Kunden-)Ansprüchen und (Händler-)Realität klaffen mitunter große Lücken. Wie kann es gelingen, diese Lücken zu schließen und welchen Einfluss hat dabei der Digitalisierungsgrad eines Händlers?

Die Marktstudie Retail Reality von Shopgate geht diesen Fragen auf den Grund. Sie untersucht einerseits das Konsumentenverhalten von der Informationsbeschaffung über die gewählten Touchpoints bis hin zur Kaufentscheidung. Andererseits analysiert sie, wie sich der Handel im DACH-Raum verändert hat, welche Rolle der Omnichannel einnimmt und wohin die Reise geht. Dabei vergleichen die Autoren der Studie Käufer- und Händlerseite miteinander und kommen teilweise zu überraschenden Ergebnissen. Um ein umfassendes Bild zu erhalten, haben sie mehr als 2000 Konsumenten und 300 Händler befragt. Darunter sind sowohl kleine Händler als auch große Unternehmen aus den Branchen Fashion, Beauty, Sportartikel, Home und Unterhaltungselektronik vertreten.

Kunden stellen sehr konkrete Erwartungen an Onlineshop und stationäre Filiale

Es mag kaum verwundern: Kunden lieben es, ihre Einkäufe rund um Fashion und Co. online zu tätigen. So landet der Onlineshop auf Platz eins der bevorzugten Kaufkanäle. Dabei schätzen sie vor allem die Angebots- und Preisvielfalt, die Bequemlichkeit sowie die schnelle Abwicklung. Daneben legen Kunden großen Wert auf Nutzerfreundlichkeit, einfache Retoure, flexible Zahlungsmöglichkeiten und schnellen Versand. Am liebsten haben sie es, wenn die Lieferung kostenlos ist und sie mit Paypal bezahlen können.

Interessanterweise fällt die Entscheidung zwischen Onlineshop und stationärer Filiale bei Beauty- und Home-Artikeln, also Branchen, die ein Einkaufserlebnis bieten, denkbar knapp aus. Gründe hierfür sind, dass Kunden die Produkte in echt ausprobieren können, etwa um Haptik und Optik sicherzustellen. Zudem genießen sie die persönliche Beratung vor Ort und die Möglichkeit, Ware direkt mitnehmen zu können. Aber auch eine ansprechende Gestaltung des Ladengeschäfts, Sauberkeit sowie flexible Umtausch- und Rückerstattungsmöglichkeiten spielen hier eine wichtige Rolle.

Händler auf dem Weg in die Omnichannel-Zukunft

Es wird deutlich, dass sich Kunden eine zunehmende Verschmelzung von On- und Offline wünschen, um von den Vorteilen beider Welten zu profitieren. Das wiederum bedeutet für stationäre Händler sich digital aufzustellen und damit bereit für den Omnichannel zu machen. Im Rahmen der Studie hat sich gezeigt, dass das Thema Digitalisierung im filialisierten Einzelhandel zwar immer mehr an Fahrt aufnimmt, allerdings erst vor kurzem die Startlinie passiert hat.

Das liegt zum einen daran, dass ein sehr unterschiedliches Verständnis von Digitalisierung vorherrscht: Während die einen darunter eine komplette Aufgabe ihrer stationären Geschäfte zugunsten eines reinen Onlineshops verstehen, möchten die anderen ihren Kunden zusätzliche Online-Möglichkeiten bieten. Zum anderen sind vielen Händlern die Unterschiede zwischen Multi- und Omnichannel gar nicht klar, sodass hier noch reichlich Aufklärungsarbeit nötig ist. Nichtsdestotrotz sind die Bereitschaft und das Wissen um die Wichtigkeit der Digitalisierung im stationären Handel in jedem Fall da. Mehr noch: Viele Händler haben bereits konkrete nächste Schritte in Richtung Omnichannel geplant, wie etwa ihren Onlineshop auszubauen, die Online-Sichtbarkeit ihrer Produkte zu stärken sowie digitale Lösungen zu implementieren.

Bei Corona und Nachhaltigkeit scheiden sich die Geister

Auch wenn Händler den steigenden Konsumentenerwartungen durch kundenorientierte – und vor allem digitale – Services zunehmend gerecht werden möchten, gibt es dennoch zwei Themen, bei denen Uneinigkeit herrscht: Corona und Nachhaltigkeit. Laut Kunden hat sich die Corona-Situation nur wenig auf ihre Kaufmuster und bevorzugten Kanäle ausgewirkt. So hat lediglich die Verweildauer in den Geschäften abgenommen. Mehr als die Hälfte gaben an, dass Corona ihre Kaufabsichten, -ausgaben, -kanäle und -interessen auch in Zukunft nicht beeinflussen wird. Das sehen die Händler anders.

Ihrer Einschätzung nach hat die Corona-Situation großen Einfluss auf das Kaufverhalten genommen, insbesondere hinsichtlich der Verkaufskanäle. Ebenso tun sich beim Thema Nachhaltigkeit Diskrepanzen zwischen Kunden- und Händlersicht auf. Während mehr als ein Drittel der befragten Händler „Green Retail“ als vorübergehendes Trendphänomen beurteilt, wird der Wunsch auf Kundenseite, etwa hinsichtlich nachhaltiger Verpackung, kurzen Lieferwegen und CO2-Kompensation, größer.

5 Tipps für mehr Kundenbegeisterung

Vor diesem Hintergrund stellt sich für Händler die Frage, wie sie ihre Kunden schnell und langanhaltend begeistern können. Dabei liegt genau in der Verknüpfung von stationären Filialen mit entsprechenden Omnichannel-Services der Schlüssel zum Erfolg:

Lieferwege verkürzen: Anstatt auf große Zentrallager für den Paketversand zu setzen, sollten stationäre Händler ihr Filialnetzwerk ins Zentrum stellen. Dieser Ansatz nennt sich Ship-from-Store. Er zielt auf die optimale Nutzung vorhandener Logistik- und Service-Strukturen ab. Dafür gilt es, die stationären Geschäfte als dezentrale Fulfillment-Hubs zu verstehen. Der Waren- und Paketversand erfolgt direkt aus den Niederlassungen vor Ort. Das verkürzt die Lieferwege und verringert den CO2-Fußabdruck. Zugleich können Händler Flächen in Zentrallagern reduzieren und ihre Kosten senken. Auf diese Weise werden stationäre Geschäfte samt ihres Filialnetzwerk zum größten Trumpf im Blatt eines grüneren Omnichannel-Handels.

  • Paketversand klimaneutral(er) gestalten: Neben kurzen Lieferwegen ist es wichtig, dass bei einer umfangreichen Bestellung möglichst wenige Einzelsendungen entstehen. Hierfür gibt es intelligente Lösungen, die stationäre Händler auf ihrem Weg zu mehr Klimaneutralität unterstützen. Das mag bei einer überschaubaren Anzahl an Sendungen kleinlich anmuten. Doch bei tausenden Sendungen im Monat macht das allein schon beim Porto einen großen Unterschied. Zugleich eröffnen sich für Händler mit solchen Lösungen weitere Chancen, noch mehr dem Nachhaltigkeits-Gedanken seitens der Kunden nachzukommen, etwa mit der Einführung sogenannter „GoGreen-Labels“. Die Idee dahinter: Die CO2-Menge, die beim Versand erzeugt wird, durch ein Investment in klimaerhaltende Maßnahmen auszugleichen. Auf diese Weise schaffen Händler einen Kundenanreiz, gegen einen kleinen Aufschlag einen Beitrag für das Klima zu leisten.
  • Onlinebestellungen vor Ort abholen: Click&Collect ist nach wie vor der Omnichannel-Service schlechthin – und zwar weil er die Bequemlichkeit des Onlineshoppings mit der Unterstützung lokaler bzw. regionaler Händler zusammenbringt. Kunden profitieren von den Vorteilen beider Welten: Sowohl Bestellung als auch Bezahlungen gehen schnell und digital vonstatten, sie sparen Versandkosten und können ihre Artikel zeitlich flexibel abholen. Zugleich bietet sich lokalen Händlern mit Click&Collect die Möglichkeit, ihren Standortvorteil und somit die schnellere Produktverfügbarkeit gegenüber Online Pure Playern auszuspielen.
  • Onlinebestellungen in der lokalen Filiale zurückgeben: Genauso flexibel wie Kunden bestellte Ware in der nächstgelegenen Filiale abholen möchten, fällt auch ihr Anspruch hinsichtlich Rückgabe aus. Dieser Omnichannel-Service nennt sich Return in Store. Was Kunden daran schätzen, ist leicht erklärt. Sie können ihre Bestellungen zu Hause oder im nahegelegenen Geschäft in Ruhe sichten. Gefällt ihnen die Ware bzw. ein Teil nicht, können sie diese unkompliziert vor Ort zurückgeben. Dafür müssen sie keinen Retourenschein beantragen, kein Retourformular ausfüllen, die Produkte nicht verpacken und das Paket nicht zur Post bringen. Das spart Kunden nicht nur einen Weg, sondern auch immens Zeit.
  • Abholstationen anbieten: Ein weiterer Service, den sich Kunden wünschen, sind eigene Abholstationen, sogenannte „Fast Lanes“. Konkret bedeutet das, dass Kunden ihre bestellten Waren vor Ort an einer einzig und allein dafür eingerichteten Stelle abholen können. Auf diese Weise müssen sie sich nicht an der regulären Kassenschlange anstellen und werden schneller bedient. Langfristig wäre es denkbar, die „Fast Lanes“ zu Self-Services-Stationen auszubauen, an denen Kunden Bestellungen nicht nur abholen, sondern auch bezahlen und direkt zurückgeben können.

Fazit: Dank Omnichannel werden Kundenansprüche leichter erfüllbar

Keine Frage: Kunden formulieren teils sehr individuelle Erwartungen und Wünsche, die der Handel zunächst verstehen und dann bedienen muss. Hier verspricht eine Kombination aus den Vorteilen von On- und Offline-Welt, also Bequemlichkeit, Beratung und schnelle Abwicklung, mit Nachhaltigkeit, sprich Lokalität, kurze Lieferwege und Klimaneutralität, den größten Erfolg. Schon heute bieten Lösungen aus dem Omnichannel-Kosmos passende Ansätze, ob mit Ship-from-Store, Click&Collect oder Fast Lane. Wenn Händler diese nutzen und dann auch noch ihren Kunden noch besser zuhören, werden sie zu echten Kundenflüsterern.

Autor: Ralf Haberich ist CEO von Shopgate. In dieser Position verantwortet er vor allem die Bereiche Business Development, Partnership, Marketing, Sales und HR. Haberich verfügt über fünfzehn Jahre IT- und Digital-Business-Erfahrung und besitzt umfassende Kenntnisse in den Gebieten CRM, digitales Marketing, Unternehmensstrategie und Customer Engagement. Außerdem ist er als Speaker aktiv und Autor des Management-Buchs „Future Digital Business“.