Mittlerweile ist klar, auch 2021 wird ein wechselvolles, pandemiegeprägtes Jahr. Die Notwendigkeit einer konkreten Digitalstrategie für Einzelhändler ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Kurzfristig suchen viele ihr Heil darin, sich den generalistischen Online-Riesen aus Übersee anzuschließen. Dabei sollte der Blick lieber auf eigene Ansätze, wie etwa einen eigenen Marktplatz, gerichtet werden.
Der erneute Lockdown und die Unsicherheit, wie viele 2021 wohl noch folgen werden, wurde für viele Einzelhändler ohne Digitalstrategie zur finalen Existenzbedrohung. Ein Sündenbock musste her und war schnell gefunden: Amazon. Der NRW-Ministerpräsident Laschet erklärte gleich den gesamten Onlinehandel zum Schuldigen und rief zum Boykott auf. Ja, Amazon ist Hauptprofiteur der aktuellen Situation und gewinnt Marktanteile. Verantwortlich für die schwierige Situation, in der viele Einzelhändler heute stecken, ist das Unternehmen aber nicht.
Vom Erfolg lernen
Der Erfolg ist kein Ergebnis des Lockdowns. Was Amazon so mächtig macht, ist das Geschäftsmodell. Und davon kann die gesamte Retailbranche lernen – ohne gleich das nächste Amazon werden zu wollen. Nicht nur, dass gegen Amazon oder eBay aus dem Stand keine Konkurrenz möglich ist, die kriselnden Warenhäuser sind ein Beleg für die Endlichkeit des generalistischen, allumfassenden Ansatzes. Die Chance liegt in der Spezialisierung und Lokalität. Denn auch wenn sich das Verbraucherverhalten durch die Verlagerung ins Digitale verändert hat, ist manches gleich geblieben, wenn nicht sogar stärker geworden: Der Wunsch der Kunden, lokal einzukaufen, kleine Händler zu unterstützen und weiterhin das beste Preis-Leistungsverhältnis zu bekommen.
Lokal zum Erfolg
Für kleinere Händler bedeutet der eigene Online-Shop – sei er noch so klein – Aufwand und erfordert Expertise, die im eigenen Unternehmen nicht zwingend vorhanden ist. Sich einem großen, generalistischen Online-Marktplatz anzuschließen liegt da nahe, um Absatz zu retten und Prozesskosten zu sparen.
Denn schließt ein Verkäufer sich einem Marktplatz an, muss er die Online-Ladentheke nicht mühsam selber aufbauen und pflegen, sondern muss dort lediglich relevante Produktdaten einspeisen, um seine Produkte oder Services auf der Plattform anzubieten. Oft läuft die Zahlungsabwicklung ebenfalls über die Plattform ab, sodass Verkäufer auch für diesen Aspekt keine zusätzlichen Ressourcen aufwenden müssen. Plus: er profitiert vom Namen und der Reichweite des Marktplatzes, gibt seinen lokalen Kunden aber gleichzeitig die Möglichkeit weiter bei ihm zu shoppen.
Doch es muss eben nicht immer Amazon sein, wie ein Beispiel aus Frankreich zeigt: Der Lebensmittelhändler Carrefour gestattete anderen Verkäufern mitten in der Pandemie kostenfrei Zugang zu seinem Online-Lebensmittel-Marktplatz, um insbesondere kleinere Verkäufer und Lebensmittelhersteller zu unterstützen. Ein ähnliches Angebot zu Vorzugskonditionen schuf hierzulande Douglas zur Unterstützung kleiner Verkäufer und Markenshops. Spezialisierte, lokale Marktplätze wie Carrefour oder Douglas bieten damit kleineren Händlern, die in der jeweiligen Branche aktiv sind, eine gute Alternative zu den Online-Riesen.
Kuratiert zum Erfolg
Dass die Einzelhandelsunternehmen selbst dank eigener Marktplätze die Pandemie erfolgreich meistern und dazu noch kleinere Händler unterstützen konnten, zeigt, welches Potenzial das eigene Plattform-Geschäftsmodell für größere Einzelhändler birgt.
Wer als Einzelhändler in seinem eigenen Segment einen entsprechenden Ansatz in Betracht zieht, sollte sich zunächst mit kuratierten Marktplätzen befassen. Hier können sich etablierte Unternehmen mit einem Fokus auf ihr Kerngeschäft von Generalisten wie Amazon oder eBay abheben. Die Frage, welche Verkäufer zur eigenen Marke passen und wie diese an dem Marktplatz teilhaben dürfen, sollte eigenständig erarbeitet werden. So kann das eigene Angebot um passende Produkte, Kategorien oder Dienstleistungen erweitert werden und damit die Attraktivität als Ganzes gesteigert werden.
Der Clou: Es muss keine zusätzliche Ware vorgehalten oder sich um den Versand gekümmert werden. Der europäische Einrichtungs- und Möbelspezialist Maisons du Monde hat zum Start seines eigenen Marktplatzes etwa sorgfältig Drittanbieter-Marken ausgewählt, die stilistisch, preislich und qualitativ gut zur DNA der eigenen Marke passen und das Angebot ergänzen, um die Erwartungen seiner Kunden zu erfüllen.
Selber zum Erfolg
Der Betrieb eines eigenen, spezialisierten Marktplatzes braucht sorgfältige Planung. Wer soll hier verkaufen und wie werden die Verkäufer akquiriert? Wie werden sie angebunden? Wer macht das Onboarding und den IT-Support? Klassische E-Commerce-Systeme kommen dabei schnell an ihre Grenzen. Marketplace-as-a-Service-Lösungen bieten hier effiziente Alternativen. Sie setzen auf gängige Shop-Systeme auf und versprechen so einen schnellen Marktplatz-Start, ohne in einem großen IT-Projekt die komplette Infrastruktur austauschen zu müssen. Neue Funktionen und Features, die durch sich verändernde Marktanforderungen benötigt werden, müssen ebenfalls nicht selbst entwickelt werden.
Gemeinsam zum Erfolg
Lassen wir die Platzhirsche mit entsprechender Marktmacht einmal außen vor, dann ist klar: Nur wenn alle Beteiligten gleichermaßen profitieren, ist eine Marktplatzstrategie langfristig erfolgreich. Betreiber suchen ein schlagkräftiges Angebot, das Kunden anlockt, den Traffic erhöht und die eigene Marke ergänzt. Verkäufer benötigen einen echten Mehrwert, sonst wechseln sie zur Konkurrenz. Und Kunden wollen klar wissen, bei wem sie kaufen oder wen sie unterstützen. Ist alles drei geben, ist das die richtige Mischung für einen erfolgreichen Marktplatz.