Ab November 2020 gilt das E-Rechnungsgesetz vollumfänglich. Der Einsatz elektronischer Rechnungen wird somit für Behörden in Deutschland verpflichtend. Was ändert sich? Welche Vorteile bringt die Umstellung auf die digitale Rechnungsstellung? Und was hat das alles mit Kassenzetteln zu tun?
Kaum ein Thema hat zuletzt die gesellschaftlichen Debatten bestimmt wie die Einführung der Bonpflicht. Die sogenannte Belegausgabeverpflichtung wurde am 1. Januar 2020 im Rahmen des sogenannten Kassengesetzes eingeführt – und damit auch die vielfach medial geschürten Ängste vor riesigen Papierfluten in den Verkaufsräumen zahlreicher deutscher Familienbäckereien, Obsthändler und Tischlereibetrieben. In Zeiten der digitalen Transformation mutet der Schritt zur analogen Nachweispflicht durchaus rückständig an. Wenngleich die Bundesregierung mehrfach betonte, dass auch elektronische Verfahren zur Belegerfassung akzeptiert würden. Der Handel hätte jedoch die Chance zur Umstellung nicht genutzt, hieß es trotzig aus dem Finanzministerium. Es bleibt allseitiger Unmut.
Stufenweise Realität: das E-Rechnungsgesetz
Doch der Weg in die papierlose Zukunft ist ohnehin längst geebnet – und dabei spielen Kassenzettel eine eher untergeordnete Rolle. Einen größeren „Dammbruch“ verursachte die EU-Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014, die drei Jahre später von der Bundesregierung als sogenannte „E-Rechnungs-Verordnung“ verabschiedet wurde. Dieses Gesetz bildet nun eine verbindliche Rechtsgrundlage für die elektronische Rechnungsstellung an öffentliche Auftraggeber – sofern die Rechnungssumme 1.000 Euro oder mehr beträgt. Dabei sind auch bestimmte Fristen festgelegt worden:
- Für die obersten Bundesbehörden wurde die Einführung der E-Rechnung zum 27. November 2018 vorgeschrieben, für alle weiteren öffentlichen Auftraggeber des Bundes galt der 27. November 2019 als Stichtag.
- Seit Anfang 2020 sind auch die Bundesländer zum Empfang und zur Weiterverarbeitung elektronischer Rechnungen verpflichtet. Vom 27. November an gilt die Regelung für alle weiteren öffentlichen Institutionen.
Betroffen sind von diesem Gesetz nicht nur die Bundes-, Landes- und kommunalen Behörden. Auch Institutionen wie Krankenhäuser, Universitäten und Kindergärten, die mehrheitlich in öffentlicher Hand sind, sind betroffen. Dazu kommen auch jene kleinen, mittelständischen und großen Firmen, die mit Behörden und Öffentlichen Verwaltungen laufende Dienstleistungs- oder Lieferverträge haben. Um zukünftig bei Ausschreibungen des Bundes mitmischen zu dürfen, müssen zahlreiche Unternehmen ihre Finanzbuchhaltung in kürzester Zeit mit neuen Technologien ausstatten. Eine Umrüstung, die deutlich kosten- und zeitintensiver ausfallen dürfte als der Einbau technischer Sicherheitseinrichtungen in den Kassensystemen im Zuge der Bonpflicht.
Digitale Rechnungen: weniger Ausgaben, mehr Transparenz
Doch gerade beim E-Rechnungsgesetz überwiegen langfristig jene Vorteile, die die zusätzlichen Umrüstungskosten durchaus rechtfertigen:
- Neben den Personalkosten reduzieren Nutzer mit Online-Rechnungen nicht nur die Ausgaben für Papier und Porto, sondern auch für Druckertinte. Bei europaweit 18 Milliarden versandten klassischen Rechnungen dürfte die Einsparung bei etwa 64,5 Milliarden Euro im Jahr liegen.
- Durch den Papierverzicht werden Lager- und Archivierungsengpässe beseitigt. Regale voller Aktenordner entfallen, Büroflächen können effizienter genutzt werden. Dazu ist auch der Umweltaspekt nicht zu vernachlässigen, vor allem im Hinblick auf die zumindest theoretisch verringerten Waldrodungen und Treibhausgasemissionen durch die Papierproduktion.
- E-Invoicing trägt zu Transparenz und effizienteren Handelsabläufen bei, speziell zwischen unterschiedlichen Abteilungen, aber auch über alle internationalen Niederlassungen hinweg. Vordefinierte Workflows gewährleisten die Bereitstellung der Rechnungen in der jeweils aktuellsten Version. Durch Klassifizierung und Volltexterfassung stehen die Rechnungsdaten direkt im Buchhaltungssystem elektronisch zur Verfügung und sind jederzeit abrufbar.
- Ein entscheidender Vorteil ist darüber hinaus der Zeitfaktor bei der digitalen Übermittlung: Unnötige Verzögerungen entfallen, wichtige Verbuchungen können zukünftig schneller vorgenommen werden. Auch Mahngebühren lassen sich so vermeiden.
Zudem wurde – neben dem bestehenden Format ZUGFeRD – ein neuer Rechnungsstandard eingeführt. Öffentliche Auftraggeber sind fortan verpflichtet, für die Rechnungsstellung elektronische Rechnungen im Datenaustauschformat XRechnung zu akzeptieren. Alle Rechnungsinformationen liegen dann innerhalb des technologieneutralen XRechnung-Formats als strukturierte Daten im XML-Format vor. Und es ist absehbar, dass sich dieser neue Standard auch über die Verwaltungsebenen hinaus in der privaten Wirtschaft und mittelfristig im internationalen Rechnungsverkehr etablieren wird.
Faktor Zeit: ein weiter Weg bis zum E-Government
Entsprechend werden auf viele Unternehmen nicht nur die bereits erwähnten Kosten, sondern auch strukturelle Veränderungen in ihrer IT-Infrastruktur sowie im Hinblick auf ihre internen Geschäftsprozesse zukommen. Aufgrund der neuen gesetzlichen Anforderungen zur Automatisierung und Digitalisierung des Rechnungswesens dürften die Behörden hier bald einen nicht unwesentlichen Wissensvorsprung aufbauen.
Doch die Zeit wird knapp. Fast alle Bundesländer haben bereits im Rahmen ihrer E-Government-Gesetze die Umsetzung einer Rechtsverordnung für E-Rechnungen festgelegt. Allerdings laufen entweder die entsprechenden Gesetzgebungsverfahren noch oder der Zeitrahmen für die Umstellung wird ganz bewusst ausgereizt: Beispiele hierfür sind unter anderem Bayern und Hessen. Ein abgestimmtes Verfahren zwischen Bund und Ländern gibt es hier bisher nicht – einen Weg zurück jedoch auch nicht. Schließlich sind die Fristen für die Umstellung auf elektronische Rechnungsverfahren im Rahmen des E-Government-Gesetzes unumstößlich festgelegt.
Aber die Posse um die „analogen“ Kassenzettel zeigt genauso eindeutig, wie jede gesetzliche Richtlinie ihre Schlupflöcher bereithält: So wurde erst kürzlich – wie die Tagespresse ausführlich berichtete – eine Dresdner Bäckerei von der zu Jahresanfang eingeführten Bonpflicht komplett befreit. Einen Grund für die Ausnahmeregelung nannte das zuständige Finanzamt nicht. Die Geschäftsführerin des Bäckereibetriebes gab sich selbst irritiert: „Ich würde sagen, wir haben Glück gehabt.“ Doch auf den Faktor Glück sollten sich die Behörden in Deutschland beim Thema E-Rechnung besser nicht verlassen.
Autor: Sven Kaiser, Geschäftsbereichsleiter Optimal Systems.de.