Die Macht der Geodaten: Wie der Handel profitieren kann

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Damit im Einzelhandel nie ein Kunde vor leeren Regalen steht, müssen hinter den Kulissen etliche Zahnräder perfekt ineinandergreifen. Nicht nur die richtigen Produkte müssen zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge bestellt werden, auch die jeweiligen Transportmittel und Vertriebswege sollten so aufeinander abgestimmt sein, dass zu keiner Zeit eine Lücke innerhalb der Lieferkette entsteht.

Damit Unternehmen dies in Krisenzeiten, aber auch angesichts des stetig zunehmenden Konkurrenzdrucks vermeiden können, spielen Geodaten eine zentrale Rolle: Sie gewähren einerseits wichtige Einblicke in die relevanten Prozesse und können bei etwaigen Unregelmäßigkeiten rechtzeitig Alarm schlagen – beispielsweise dann, wenn ein LKW einen Unfall hatte oder ein Frachter noch vom Zoll festgehalten wird. Sie haben andererseits aber auch das Potenzial, bei Expansionsplanungen zu unterstützen oder endlich jene Nachhaltigkeit zu etablieren, die es braucht, um den Erfolg auch auf lange Sicht aufrecht zu erhalten.

Das fehlende Glied in der Datenkette

Anders als in der Medizin- oder der Versicherungsbranche hat die Digitalisierung aller Geschäftsprozesse den Handel längst ergriffen. Die globale Vernetzung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Industrie immer schneller um sich selbst dreht. Wer hier nicht den Anschluss verlieren will, der muss stets unzählige Parameter im Blick behalten, und sie auf ein absolutes Maximum optimieren.

Ein Faktor, der bei dieser komplexen Gleichung jedoch noch immer viel zu häufig vergessen wird, sind Geodaten. Sie bilden von Produktionsstätten über Lieferbedingungen bis hin zu Standortauslastungen all jene Informationen ab, die für den Handel wichtig sind. Tatsächlich daraus profitieren kann allerdings nur derjenige, der sie in einen größeren Kontext zu setzen und entsprechend zu interpretieren weiß. Location Intelligence ist das, worauf es ankommt.

Ein Beispiel, wie das in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann, ist der Schweizer Einzelhandelsriese Migros. Bereits seit über zehn Jahren wird hier auf die geodatenbasierte Technologie gesetzt, mit deren Hilfe sich komplexe Transportkettendaten in konkrete Informationen verwandeln und übersichtlich visualisieren lassen. So können Lieferungen überwacht, LKW-Routen verfolgt und Kunden informiert werden – und zwar in Echtzeit. Selbst Daten über globale Ereignisse, die eine potenzielle Gefahr für den Warenfluss darstellen könnten, lassen sich auf Grundlage der Location Intelligence in die algorithmischen Berechnungen integrieren. So können Abweichungen frühzeitig erkannt und das „Just-in-Time“-Prinzip vollständig ausgeschöpft werden. Damit stellt Migros sicher, dass die 99 Prozent der Schweizer Konsumenten, die mindestens einmal jährlich in einem der Märkte einkaufen, immer genau das finden, was sie suchen.

Grünere Wege für eine grünere Zukunft

 Maximale Effizienz ist aber längst nicht das Einzige, worauf es heute ankommt. Wer auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch immer aus der Masse herausstechen und seine Kunden begeistern will, für den führt kein Weg mehr an nachhaltigen Konzepten vorbei – und zwar vom Anbaugebiet bestimmter Produkte bis hin zu den Transportbedingungen auf dem Weg ins Supermarktregal. Vor allem angesichts des voranschreitenden Klimawandels und der sich dadurch häufenden Naturkatastrophen wird es immer wichtiger, vorausschauend zu handeln und dabei alle relevanten Ressourcen zu schützen.

Der Kaffeehersteller Nespresso beschäftigt sich bereits seit Längerem mit der Frage, wie er auf dem Weg, den eine Arabica-Bohne vom Feld bis in den Laden zurücklegen muss, dauerhaft für mehr Nachhaltigkeit sorgen kann. Keine leichte Aufgabe, immerhin sind hierbei mehr als 100.000 Kaffeebauern aus 13 Ländern involviert, mit denen das Unternehmen zusammenarbeitet. Damit diese nachhaltig wirtschaften und für die beste Qualität ihres Kaffees sorgen können, galt es zunächst, die einzelnen Phasen des Herstellungsprozesses vor Ort besser verstehen zu lernen.

Hierfür wurde mithilfe von Location Intelligence unter anderem die Entfernung zu den belieferten Mühlen im Detail analysiert. Dadurch gelangte das Unternehmen zu der Erkenntnis, dass es nicht unbedingt die Kilometerzahl ist, die eine Rolle spielt. Vielmehr ist es die Dauer, die es braucht, um diese von A nach B zurückzulegen. Im Rahmen der Untersuchung stellten sich nämlich einige der Farmen als extrem schwer erreichbar heraus, weshalb es lange Fahrten oder Wanderungen durch die Berge bedurfte, um die Kaffeebohnen zur nächstgelegenen Mühle zu befördern. Erst in Folge dieser Erkenntnis konnte Nespresso sich dafür einsetzen, die Wege zwischen den Kaffeemühlen und ihren Bauern so zu gestalten, dass der Transport ressourcensparender erfolgen kann – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Auf Wachstumskurs

Auch die Standort- und Expansionsplanung ist eine zentrale Herausforderung – und das sowohl für regionale Einzelhändler als auch für große Handelsketten. Dabei ist aber nicht nur die Lage der eigenen Filialen und die der Konkurrenten von größter Relevanz, sondern vor allem auch die Frage, wo sich die potentielle Kundschaft befindet.

Denn: Eine Tchibo-Filiale hat ein anderes Einzugsgebiet als ein IKEA-Einrichtungshaus und auch die Zielgruppen dieser beiden Beispiele sind völlig verschieden. Sie unterscheiden sich in Alter und Geschlecht, aber unter anderem auch in der Personenanzahl, die im Haushalt lebt. Händler, die wachsen wollen, müssen all dies in ihren Planungen berücksichtigen, wobei die Technologie der Location Intelligence sie genau dabei unterstützen kann: Sie hilft, die verfügbaren Daten in einen größeren, räumlichen Kontext zu setzen und macht damit Informationen sichtbar, die für eindimensionale Blicke verborgen bleiben. So ermöglicht sie einerseits, Potenziale vor Ort zu erkennen und bewertet andererseits verfügbare Mietobjekte oder Bauplätze hinsichtlich ihres erwartbaren Erfolgs.

Autor: Jürgen Schomakers, Managing Partner bei Esri DCH

Diese Beispiele zeigen: Die Schnelligkeit, die es bedarf, um nicht nur heute, sondern auch auf lange Sicht erfolgreich zu bleiben, nimmt stetig zu, ebenso wie die daraus resultierenden Abhängigkeiten. Im Detail zu verstehen, wo sie sich befinden und wie sie mit den Menschen um sich herum agieren, ist für Händler aller Größen deshalb wichtiger als je zuvor – und die Tendenz ist weiter steigend. Über große Datenmengen zu verfügen ist dabei jedoch nur die halbe Miete. Nur wer sie um den Geo-Faktor erweitert, hat alles, was es braucht, um aus den einzelnen Puzzleteilen ein größeres Bild zusammenzusetzen, von dem sowohl die Unternehmen selbst, als auch ihre Kooperationspartner, Kunden und die Umwelt gemeinsam profitieren.