Das richtige Set-up für die Post-Brexit-Logistik

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Britische Konsumenten geben pro Jahr durchschnittlich 3.315 Euro für eCommerce-Einkäufe aus. Das ist mehr als in jedem anderen Land und macht Großbritannien auch nach dem Brexit zu einem lukrativen Markt für viele Konsumgüter, die online verkauft werden. Deutsche Unternehmen, die Verkäufe nach Großbritannien tätigen, sollten jedoch ihr derzeitiges Logistik-Setup genau unter die Lupe nehmen, denn neue Kennzeichnungs- und Vermarktungsnormen sowie erhöhte Zollkontrollen führen zu mehr Verwaltungs-, Zeit- und Kostenaufwand.

Die Konsequenz sind längere Versandzeiten und erhöhte Versandkosten. Was also müssen exportierende Handelsunternehmen beachten, um möglichst viele der Extrakosten einzusparen?

Die Versandkosten bergen das größte Einsparpotenzial. Eine der Kernfragen ist, ob Bestellungen per Einzelpaketversand aus Deutschland versendet werden sollen oder per Palettenversand an einen lokalen Distributionsstandort innerhalb Großbritanniens, von wo aus sie weiterbearbeitet und verschickt werden.

Internationaler Einzelpaketversand: Beim internationalen Einzelpaketversand an Kunden in Großbritannien hat der Verkäufer ein zentrales Lager in Deutschland, in dem er seine Produkte lagert und von dort alle britischen Bestellungen abwickelt und verschicken lässt. Dabei gibt es zwei Transportwege: Die so genannte Bulk-Sendung (Palettenversand) vom Hersteller zum Lager des Händlers in Deutschland, gefolgt von internationalen Einzelpaketsendungen. Das heißt, wenn ein Kunde aus Großbritannien ein Produkt kauft, wird die Bestellung in Deutschland kommissioniert und per Einzelpaketversand nach Großbritannien verschickt.

Lokales Fulfillment in GB: Bei einem lokalen Distributionslogistik-Setup in Großbritannien wird über ein dezentrales Lager in Großbritannien verfügt und eine flexible Distributionsstrategie verwendet, wie sie etwa durch eine Logistics-as-a-Service-Plattform  ermöglicht wird. In diesem Szenario sind ebenfalls zwei Transportwege involviert: Bulk-Sendungen vom-Hersteller an das Lager in Großbritannien, gefolgt von einer Auftragsabwicklung vor Ort und lokalen Einzelpaketsendungen. Das heißt Bestellungen von britischen Kunden werden statt von Deutschland aus, von einem professionellen Logistiker mit Sitz in Großbritannien abgewickelt.

Internationaler Versand vs. lokales UK Fulfillment im Kostenvergleich

Das folgende Beispiel veranschaulicht die Logistikkosten beider Szenarien anhand eines konkreten Falls: Ein deutsches Unternehmen verkauft Konsumgüter (= Fast Moving Cosumer Goods / FMCG) über einen eCommerce-Shop. 4.000 Bestellungen pro Monat stammen von britischen Kunden. Der durchschnittliche Warenkorbwert beträgt 54 Euro, bestehend aus drei Artikeln pro Bestellung.

Für einen validen Logistikkostenvergleich gilt es, Fulfillment, Versand und auch potenzielle Retouren zu beleuchten, sowie die jüngsten Auswirkungen des Brexits zu berücksichtigen – längere Versandzeiten, Verwaltungsaufwand und erhöhte Transportkosten. Im folgenden Szenarien-Vergleich sind die Logistikkosten pro Bestellungen aufgeschlüsselt. Der Kostenvergleich der beiden Distributionslogistik-Fälle zeigt sofort, dass sich mit einem lokalen Fulfillment Kosten in Höhe von 9,57 Euro pro Bestellung einsparen lassen und sich die Lieferzeit um sechs bis acht Tage verkürzt.

Im gezeigten Beispiel sind die Fulfillment-Kosten gleich, da von vergleichbaren Standorten in beiden Ländern ausgegangen wird sowie von Logistikdienstleistern mit identischem, operativem Fokus. Die Unterschiede in den Logistikkosten ergeben sich also aus den Versandkosten, den Kosten für potenzielle Retouren und den durch den Brexit verursachten Extrakosten aufgrund von Verwaltungsmehraufwand, Zoll- und Versandzuschlägen.

Unter die Lupe genommen: die Transport- und Versandkosten

Sowohl beim internationalen Einzelpaketversand, als auch beim lokalen Fulfillment gibt es zwei Transportwege. Der erste führt vom Hersteller zum Lager des Händlers und der zweite vom Lager zum Endkunden. Das bedeutet, dass in beiden Szenarien eine Bulk-Sendung (Palettenversand) stattfindet – entweder zum Lager in Deutschland oder zum Lager in Großbritannien. Für die Bulk-Sendung des ersten Transportwegs (vom Hersteller zum Lager) sind die Versandkosten nahezu identisch (0,06 vs. 0,15 Euro) – der Palettenversand von 12.000 Produkten agiert hier als Kostensenker beider Szenarien. Der Hauptunterschied bzgl. der Versandkosten liegt also im zweiten Transportweg: Der Versand einzelner Pakete von Deutschland nach Großbritannien kostet erwartungsgemäß mehr als der Versand von Paketen innerhalb von Großbritannien. Für den gezeigten Case bedeutet das, dass sich bei lokaler Distributionslogistik pro Bestellung rund 4,30 Euro an Lieferkosten einsparen lassen. Hinzu kommt, dass Spediteure wie DHL aufgrund des Brexit-Bearbeitungsaufwands oft zusätzlich einen Zuschlag für Sendungen nach Großbritannien berechnen.

Dies führt insgesamt zu einer Versandkosten-Differenz von 8,69 Euro pro Bestellung. Ein lokales Set-up spart dem Händler also eine beträchtliche Summe an Geld. Und nicht nur das, auch die Lieferzeit verkürzt sich: Trotz der Standardversandzeit von 4-5 Tagen zwischen der EU und Großbritannien verursacht der Brexit aufgrund des administrativen Aufwands und der stärkeren Zollkontrollen zusätzliche Versandverzögerungen. Die lokale Auftragsabwicklung und der lokale Versand innerhalb Großbritanniens hingegen spart durchschnittlich pro Bestellung ganze 6-8 Tage Lieferzeit – ein klarer Wettbewerbsvorteil, der sich auch auf die Umsatzzahlen auswirkt.

Rückstellungen für Retouren müssen alle Händler einkalkulieren – auch in Fällen, z. B. bei Tiefkühlartikeln, bei denen Rücksendungen nicht möglich sind. Denn hier ist es stattdessen üblich, eine Geld-zurück-Garantie anzubieten. Es gilt also, die durchschnittlichen Retourenkosten für jede Bestellung zu berücksichtigen. Beim lokalen Fulfillment werden die Retouren an das lokale Lager in Großbritannien geschickt, anstelle des internationalen Versands zurück nach Deutschland. Das ist zum einen bequemer für die britischen Kunden und zum anderen weniger kostspielig. Im Vergleich zum internationalen Einzelpaketversand können Händler pro Bestellung 0,88 Euro an Retourenkosten einsparen. Das heißt, der Gesamtgewinn im Fall einer lokalen Distributionslogistik steigt erneut.

Deutlich höhere Margen dank lokalem Logistik-Setup

Handelsunternehmen sparen im hier aufgeführten Fall mit einem lokalen Lieferketten-Setup einen erheblichen Betrag an Logistikkosten ein, was zu einer höheren Rentabilität führt. Beim internationalen Einzelpaketversand beträgt der Gewinn pro Bestellung 7,97 Euro, – wird die lokale Variante gewählt, steigt der Gewinn auf stolze 17,57 Euro. Das bedeutet, pro Auftrag wird bis zu 9,57 Euro an Logistikkosten gespart und somit der Gewinn verdoppelt. Bei 4.000 Bestellungen pro Monat führt dies zu einer Kostenersparnis von über 38.000 Euro. Das heißt: Eine dezentrale Fulfillment- und flexible Lagerhaltungsstrategie, unterstützt Händler dabei, noch profitabler zu werden und verschafft ihnen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil – nicht nur bei Verkäufen nach Großbritannien, sondern auch europaweit.