High-Traffic Shopping-Zeit: Wer nur reagiert, hat jetzt schon verloren

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Während eines plötzlichen Anstiegs des Online Traffics, wie ihn viele Händler zur Weihnachtszeit wieder erleben werden, ist es von entscheidender Bedeutung die Customer Journey eng zu überwachen und sie im Detail zu verstehen. Nur so kann agiert, statt nur reagiert werden.

105€ haben deutsche Verbraucher laut einer Studie der Global Savings Group (GSG) 2019 durchschnittlich am Black Friday pro Kopf ausgegeben. Eine Zahl, die wir in diesem Jahr sicher reißen werden. Schon jetzt geben Konsumenten an, ihre Weihnachtsgeschenke 2020 vorwiegend digital kaufen zu wollen – ganz gleich, wie die Lockdown-Situation bis dahin aussieht. Laut einer Integral Ad Science (IAS) Studie planen drei Viertel der europäischen Verbraucher den vorwiegenden Onlinekauf. Sie hat also begonnen – die vorweihnachtliche Shopping-High-Season. Und mit ihr die Traffic-High-Season. Und wie gut manche Unternehmen mit einem plötzlichen Anstieg des Webseiten Traffics klarkommen oder eben nicht, konnten wir ja bereits zu Beginn des Jahres live verfolgen.

Aber nun haben sich die Vorzeichen gewandelt. Hatten wir alle zu Beginn der Pandemie noch Verständnis und Nachsicht, sind wir jetzt zurück im Weihnachts-Shopping-Modus. Und der High-Season-Kunde unterscheidet sich in einem Punkt ganz entscheidend vom unterjährigen: kann er seinen Kauf nicht abschließen, weil die Seite nicht erreichbar ist oder schlichtweg nicht einwandfrei funktioniert, dann ist er weg. Der Klick geht zur Konkurrenz und fertig.

Blick zurück hilft nur bedingt

Ist die Webseite und damit der Online-Shop nicht erreichbar oder der Check-Out langsam oder funktioniert nicht, dann macht sich das bei einem Händler finanziell natürlich deutlich stärker bemerkbar als bei anderen Webseitenbetreibern. Mehr noch, Traffic-Lieferanten wie Google oder Facebook merken, dass auf der Seite keine Conversion passiert und strafen diese ab. Werbeausgaben in wichtigen Shoppingzeiten verpuffen.

Wenn Händler dieses Jahr eines gelernt haben, dann dass die Kennzahlen, Peaks, Webseitenbesucher und Co. der letzten Jahre nur wenig Aussagekraft für die kommenden Wochen und die generelle Volatilität des „New Normal“ haben. Schwankungen und Dynamik gehören zum Onlinegeschäft und es geht darum, vorbereitet zu sein und sicherzustellen, dass alles reibungslos funktioniert. Ist eine Lastspitze erst erreicht, können nur noch Brände gelöscht werden. Entsprechend wenig hilft ein reaktives Infrastruktur-Monitoring, dass ausschlägt, sobald das Kind in den Brunnen gefallen ist. Es gilt, Anomalien früh zu erkennen, Anhaltspunkte zum Gegensteuern zu identifizieren und das Team informieren zu können, wenn etwas nicht so ist, wie es sein sollte.

Folgende Kennzahlen sollten auf keinem Dashboard fehlen, das einen Echtzeit-Einblick in die Performance des Onlineshops liefert:

  • Aktive User und Warenkorb: Wenn die Anzahl der aktiven User abrupt steigt oder im schlimmsten Fall sogar fällt, ist das ein Alarmsignal dafür, dass Teile der Webseite vielleicht nicht funktionieren. Das gleiche gilt, wenn Kunden auf einmal keine Produkte mehr in ihren Warenkorb legen oder die Anzahl der verarbeiteten Bestellungen fällt.
  • Logins und Payment: Wenn die Anzahl der Logins, erfolgreich oder nicht, stark von der Norm abweicht oder innerhalb kurzer Zeit viele Daten in Kundenkontos geändert werden, sollten IT-Verantwortliche aufhorchen. Auch abgebrochene Bezahlvorgänge können auf Probleme beim Zahlungsdienstleister oder sogar Cyber-Angriffe hindeuten.

Viel wichtiger ist aber, dass das System auch frühzeitig informiert, sollten die Kennzahlen eine gewisse kritische Schwelle überschreiten. Nur dann kann rechtzeitig gegengesteuert werden und Kapazitäten können hinzugefügt werden.

Nicht immer ist der Traffic schuld

Webseiten sind oft große, komplizierte Strukturen, die sich aus unterschiedlichen Bildern, Schriftarten, Stylesheets, Anwendungen und mehr zusammensetzen. Leicht wird vergessen, wie viele Skripte eine Website zusammenhalten und wie viele unterschiedliche Abhängigkeiten existieren. Gerade in der High-Season besteht die Gefahr, durch vermeintlich kleine Änderungen an einem Aktionsartikel oder dem Check-Out-Prozess einen Schmetterlingseffekt auszulösen, bei dem sich beliebig kleine Änderungen des Systems auf die gesamte Seitenperformance auswirken.

Stefan Marx ist Director Product Management für die EMEA-Region beim Cloud-Monitoring-Anbieter Datadog. Marx ist seit über 20 Jahren in der IT-Entwicklung und -Beratung tätig.

Jede Änderung sollte daher auch die Fragen nach sich ziehen: Was sieht und erlebt der User eigentlich auf der Webseite? Und wie ändert sich dies, wenn im Backend Änderungen vorgenommen werden? Springt der „Kaufen“ Button plötzlich aus dem sichtbaren Bereich? Funktioniert alles noch so, wie es soll? Um zu verstehen, wie sich eine Anwendung beim Benutzer verhält, müssen Unternehmen sich in die Lage ihrer Kunden versetzen. Insbesondere externe Abhängigkeiten außerhalb des eigenen Backends lassen sich nur aus Sicht des Kunden und seines Browsers überprüfen und bewerten. Allzu oft bedeutet das: Die Verfügbarkeit und Funktionalität einzelner Online-Anwendung manuell überprüfen und dann hoffen, dass die Benutzer nicht über weitere Probleme stolpern, die möglicherweise nicht geprüft und damit durch das Raster gefallen sind.

Das ist nicht nur ein unleidiger, sondern auch ein langwieriger und fehleranfälliger Prozess. Im Grunde ist die manuelle Überprüfung, ob alles so funktioniert, wie es soll, die Validierung der User Experience. Die gewünschte Zielgröße wird mit der Realität verglichen. In browserbasierten Anwendungen und Webseiten können automatisierte Browser-Tests die Überwachung der User Experience jedoch übernehmen und sicherstellen, dass Benutzeraktionen, wie die Registrierung für ein neues Konto oder das Hinzufügen von Artikeln in einen Warenkorb, auch nach Änderungen im Backend problemlos funktionieren.

Frühwarnsysteme sind elementar

Je schwankender das Onlinegeschäft in den nächsten Monaten sein wird (bevor es sich möglicherweise auf einem neuen Niveau einpendelt), desto wichtiger sind frühzeitige Erkennungssysteme, die bereits zu frühen Schwellenwerten ausschlagen und die Konsequenzen vermeintlich kleiner Änderungen auf das Gesamterlebnis erkennen. Nur so können Händler sicherstellen, dass Probleme morgens um 8:00 Uhr festgestellt werden und nicht erst abends, wenn alle bestellen und der Fehler zum Systemzusammenbruch führt. Am besten werden Probleme am Horizont und problematische Trends der Messwerte jedoch schon Tage im Voraus erkannt.