Accessibility vs. Ageism – So gewinnen Unternehmen digital eine kaufkräftige Zielgruppe

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Deutschland wird immer älter. Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 über ein Viertel unserer Bevölkerung 60 Jahre und älter. In anderen westeuropäischen Ländern verhält es sich ähnlich. Diese Zahl bringt auch Herausforderungen für Unternehmen mit sich, die durch digitale Angebote oder Online-Shops einen Großteil ihres Geldes verdienen.

Denn im Gegensatz zu jüngeren Zielgruppen ist für Menschen jenseits der 60 das Internet häufig noch immer Neuland. Nur die wenigsten Anwendungen sind auf eine ältere Zielgruppe ausgelegt. Dabei wächst diese stetig und ist zudem noch sehr kaufkräftig. Laut einer Studie der GfK GeoMarketing entfallen immerhin 29 Prozent der gesamtdeutschen Kaufkraft auf Bürger jenseits der 60.

Unternehmen können sich also einen echten Wettbewerbsvorteil erarbeiten und eine neue kaufkräftige Zielgruppe erschließen, wenn sie auf die besonderen Bedürfnisse von älteren Menschen im Umgang mit digitalen Anwendungen eingehen. Das Ganze lässt sich unter dem Thema digitale Barrierefreiheit zusammenfassen.

Für wen will ich erreichbar sein?

Barrierefreiheit in digitalen Anwendungen kann viel heißen, denn nicht jede Art der Anpassung hilft allen Personen gleich. Menschen mit einer Sehbehinderung brauchen Zugang zu Websites, die Screenreader lesen können. Videos mit Ton helfen ihnen, Sachen besser zu verstehen. Auf der anderen Seite kann eine gehörlose Person mit Videos ohne Untertitel nichts anfangen. Ältere Menschen brauchen große Schriften und einfach verständliche Designs.

Außerdem können Erleichterungen für eine Zielgruppe auch anderen Gruppen helfen. Man kann sich das wie einen digitalen abgesenkten Bordstein vorstellen. Rollstuhlfahrer sind darauf angewiesen, dass es diese gibt, um die Straße überqueren zu können. Aber genauso profitieren davon Eltern, die einen Kinderwagen schieben, Menschen, die auf Rollatoren angewiesen sind oder einfach Reisende, die einen Rollkoffer hinter sich herziehen.

 Bewertung des Reifegrads der Barrierefreiheit

Mit Blick auf die eigenen Produkte und Services, gibt es ein paar Schritte, die man ablaufen kann, um das Thema voranzutreiben. Dafür braucht es eine Art Champion. Diese Person kann jeder sein. Wichtig ist, dass sie bereit ist, das Thema zu fördern und Prozesse ins Rollen zu bringen – gerade, wenn es noch keine Aufmerksamkeit für das Thema gibt.

Der erste Schritt nach dem Schärfen des Bewusstseins für das Thema ist die Ermittlung des Levels an Barrierefreiheit innerhalb der Organisation. Dabei hilft es, intern herauszufinden, wie sehr der Sinn für Barrierefreiheit in allen Abteilungen vorhanden ist. Denken Entwickler das Thema mit, was ist mit dem Design-Team und so weiter.

Das Produkt selbst muss auch auf Herz und Nieren geprüft werden. Allerdings sollte auch bedacht werden, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Denn so unterschiedlich Menschen ohnehin sind, so sehr unterscheiden sich auch ihre Einschränkungen.

Einige konkrete Beispiele dafür, wie Organisationen barrierefreie Erlebnisse bieten können, sind die Sicherstellung, dass:

  • Farbkontraste kein Problem für Benutzer mit geringerer Sehkraft oder Farbenblindheit darstellen
  • Benutzer ohne Maus auf der Website navigieren können
  • die Produkte mit unterstützenden Technologien wie Bildschirmlesegeräten funktionieren
  • Menschen mit Dyslexie auf leicht lesbare Schriftarten zugreifen oder die Schriftart ändern können
  • Schaltflächen und Links von Menschen mit zittrigen Händen ausgewählt werden können.

Gerade mit Blick auf die ältere Zielgruppe sind ausreichend große Schaltflächen, klare Navigationen auf der Seite, Unterstützung von Bildschirmlesegeräten und so weiter, wichtige Aspekte.

Aber am Ende gibt es keine Master-Checkliste für digitale Barrierefreiheit. Dennoch muss sich niemand ausschließlich auf seine Intuition verlassen. Je nach Anwendung werden unterschiedliche Besonderheiten auftreten, daher hilft es immer zu testen.

So wie digitale Produkte Usability-Tests unterzogen werden, um Reibungspunkte oder Fehler für Endnutzer zu identifizieren, sollten sie auch Zugänglichkeitstests unterzogen werden, um sicherzustellen, dass sie für Menschen mit Einschränkungen wie vorgesehen funktionieren. Bei Zugänglichkeitstests wird das gesamte System, also Software, Hardware oder Middleware, bewertet, um sicherzustellen, dass es für Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen wie Hör- oder Sehbehinderungen, körperlichen, kognitiven oder technischen Einschränkungen nutzbar ist. Dazu kommt, dass mithilfe von Crowdtesting die betreffende Zielgruppe in die Tests miteinbezogen wird. So kann unter realen Bedingungen getestet werden und mögliche Fehler können ausgemerzt werden.

Digitale Barrierefreiheit für alle

Menschen ab 60 sind eine kaufkräftige Zielgruppe und diese wird in den nächsten Jahren wachsen. Auch Technologien werden sich weiter verändern. Damit beides in Einklang gebracht und keiner abgehängt wird, braucht es digitale Barrierefreiheit. Und ähnlich wie beim abgesenkten Bordstein wird diese auch für alle Menschen Erleichterungen mitbringen.