„Unsere Kunden wollen alles und zu jeder Zeit.“ So lautet vielerorts das Credo des Online-Handels. Customer Convenience ist dabei oftmals das Zauberwort. Das Ziel ist es, den Kunden den kompletten Kaufprozess so bequem wie möglich zu machen – inklusive des Retourenprozesses.
Paketfrei – geht das überhaupt?
Wenn ein Online-Händler als kundenorientiert gilt, dann ist es Amazon. Millionen Artikel auf einer Plattform, die teilweise sogar am selben Tag geliefert werden. Seit dem 10. Oktober 2022 gibt Amazon seinen Kunden ein weiteres Versprechen: Wer ein Produkt zurückschicken möchte, kann es einfach zur nächsten DHL-Filiale bringen. Man benötigt nicht einmal mehr einen Versandkarton – denn darum kümmern sich jetzt die Mitarbeiter der DHL.
Auch wenn dieser Ansatz angeblich kundenfreundlich ist, so wird dieses Konzept vor allem auf dem Rücken der Post-Mitarbeitenden umgesetzt. Anders als bei bereits verpackten Retouren, wird der Rückversand nicht einfach umgehend verarbeitet und verzögert sich dadurch immens. Die DHL ist dazu angehalten, die Produkte in den Filialen zu sammeln, allerdings ist in vielen kleineren Filialen nicht annähernd genug Lagerraum vorhanden. Gerade für die anstehende Weihnachtszeit bedeutet das neue Konzept eine enorme Mehrbelastung für die Post.
Was dabei auch nicht berücksichtigt wird, ist der Nachhaltigkeitsaspekt. Die Ware wird schließlich auch nicht paketfrei zum Kunden geliefert. Vielmehr ist abzusehen, dass die Verpackungsmüllmenge von Amazonkunden deutlich steigen wird. Vor dem Hintergrund, dass 80 Prozent der Deutschen den Verpackungsmüll als größtes Problem für Nachhaltigkeitsdefizite im Online-Handel ausmachen, ist diese Taktik wenig nachvollziehbar – zumal sie von einem Unternehmen implementiert wurde, das es einmal mehr mit vernichteten Retouren auf die Titelseiten geschafft hat.
Trotzdem erhöht sie den Druck auf den E-Commerce im Allgemeinen. Mit der paketfreien Retoure geht Amazon einen weiteren Schritt in Richtung Customer Convenience. Möchten Online-Händler ebenfalls diesen Weg einschlagen, ohne an Nachhaltigkeit einzubüßen, müssen sie sich eine vernünftige Strategie überlegen. Dabei sollten sie ganz genau darauf achten, was sich die Endverbraucher tatsächlich wünschen.
Was wollen die Kunden?
Grundsätzlich belegt der von Trusted Returns durchgeführte Retouren-Report 2022, dass sich die Deutschen nach einem nachhaltigeren Online-Handel sehnen. Dafür wird auch das Retourenverhalten entsprechend angepasst: Nahezu jeder zweite Deutsche (44%) ist bereit, für seine Retouren selbst zu zahlen. Im Gegenzug steigen jedoch auch die Erwartungen an den Versandhandel. So wünscht sich die überwiegende Mehrheit (93%) nachhaltigere Alternativen zur Shipping-only-Retoure wie beispielsweise die Möglichkeit, Waren im stationären Handel zurückzugeben oder sie im Gegenzug für einen Rabatt zu behalten.
Doch bereits im Bestell- und Liefervorgang zeigt sich ein Sinneswandel: Doppelt bestellte Ware ist mit sieben Prozent bei der Liste der Retourengründe abgeschlagen. Trotzdem würde beinahe drei Viertel der Deutschen (72%) sich im Zuge des Bestellens über einen Hinweis freuen, sollte sich ein Produkt doppelt im Warenkorb befinden. So könne die Zahl der Retouren weiter gesenkt werden.
Ähnlich gestaltet sich das Meinungsbild bei der Kommunikation hinsichtlich der entstehenden CO2-Emissionen. Während 54 Prozent angeben, die eigene Bestellung zu prüfen, wenn ihnen die Emissionen vor Augen geführt werden, sind immerhin 43 Prozent dazu bereit, einen Aufpreis für die CO2-Kompensation zu bezahlen. Zudem erklärten knapp zwei Drittel (63%), gerne länger auf die eigene Bestellung zu warten, wenn die Lieferung im Gegenzug auf nachhaltigerem Wege durchgeführt wird.
Ganzheitliches Retourenmanagement erstickt Probleme im Keim
Es zeigt sich, dass Online-Kunden großen Wert auf transparente Kommunikation legen. Dann sind sie auch gewillt, ihr Verhalten entsprechend anzupassen und gegebenenfalls Einschränkungen in Kauf zu nehmen – ohne, dass die Kundenzufriedenheit darunter leidet. Aus diesem Grund muss auch jeder mögliche Kontaktpunkt zum Kunden als Chance erachtet werden. Der After-Sales-Cycle bietet hier noch häufig ungenutztes Potenzial. Viele Händler beschäftigen sich nach Abschluss des Verkaufs erst wieder mit dem Kunden, wenn dessen Retoure im Posteingang landet. Automatisch generierte Follow-up-Mails zur Zufriedenheit bei der Bestellung erzielen nur selten den gewünschten Effekt.
Ganzheitliches Retourenmanagement sieht bereits den Bestellprozess als ersten Schritt im Rückgabeprozess sowie als erste Möglichkeit, den Kontakt zum Kunden aufzubauen. Eine integrierte Self-Service-Plattform erfasst schon während der Bestellung die wichtigsten Daten, die ein Online-Händler in der weiteren Kundenkommunikation braucht. Möchte der Kunde eine Retoure auslösen, kann der Händler entsprechend reagieren und prüfen, ob eine Retoure tatsächlich nötig ist. Denn häufig ist das Problem vielschichtiger als angenommen. Im klassischen Fall bleibt dem Kunden jedoch häufig nur der Rückversand.
Doch gerade hier kann der Händler die Kommunikation wieder aufnehmen: Ist dem Kunden beispielsweise dadurch geholfen, dass ein Mitarbeiter vom Kundenservice ihm die Funktionalität des Gerätes noch einmal über einen Videocall erklärt, oder würde er das nicht ganz so olivfarbene T-Shirt behalten, wenn er einen Rabatt dafür bekommt? Der Wunsch zur Retoure muss nicht automatisch in einer physischen Warenbewegung enden. Oftmals kann ein Problem durch leichtes Drehen an entsprechenden Stellschrauben behoben werden.
Besonders die Customer-Return-Experience entscheidet mittel- bis langfristig darüber, ob ein Kunde erneut bei demselben Online-Händler einkauft oder nicht. Schafft es der E-Commerce, seine Kunden im After-Sales-Cycle entsprechend abzuholen, fühlen diese sich gut beraten und bauen so nachhaltiges Vertrauen zu einem Händler auf. Eine ganzheitliche Self-Service-Plattform gestaltet den Retourenprozess für beide Seiten nicht nur deutlich transparenter und kommunikativer, sie erhöht zeitgleich auch die Customer Convenience. So können Online-Händler von Beginn an daran arbeiten, ihre Kunden zu binden – und müssen nicht auf paketfreie Retouren setzen, die das Müllaufkommen auf beiden Seiten exorbitant multipliziert.