Von neuen Accounts bis „Empty Box“: Drei Betrugsmethoden aus der Grauzone

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Der E-Commerce verliert aufgrund von Online-Betrug jedes Jahr Umsätze in Milliardenhöhe. Vor allem Methoden, die sich in rechtlichen Grauzonen bewegen, stellen ein immer größer werdendes Problem dar, weil es für Händler umso schwerer ist, sie von legitimen Käufen zu unterscheiden.

Um dennoch gezielt dagegen vorgehen zu können, ist es wichtig, stets auf dem Laufenden zu bleiben. Denn nicht nur die Möglichkeiten, die der E-Commerce bietet, entwickeln sich ständig weiter – dasselbe gilt auch für die auf sie angewandten Betrugsmethoden.

Eine Flut neuer Accounts

Vor allem während der Corona-Pandemie haben viele Menschen den E-Commerce neu für sich entdeckt. Da die Geschäfte zeitweise geschlossen waren oder man den Kontakt zu anderen Shopper vermeiden wollte, waren sogar die, die zuvor noch nie im Internet bestellt hatten, dazu gezwungen, ihr Einkaufsverhalten anzupassen. Und auch diejenigen, die bisher vielleicht nur bei Fashion-Händler online einkauften, testeten in diesem Kontext nun auch andere Nischen wie beispielsweise Online-Supermärkte oder Lieferdienste.

Doch immer dann, wenn ein Käufer einem Onlineshop noch nicht bekannt ist, werden aufgegebene Bestellungen zu einem potenziellen Problem. Anders als bei treuen Bestandskunden, bei denen Abweichungen schnell ins Auge fallen, gibt es hier nämlich keine Kaufhistorie, die sich als legitim bewerten lässt. Gleichzeitig besteht jedoch das Ziel vieler Shop-Betreiber darin, stetig neue Kunden zu gewinnen, um so den Umsatz zu steigern. So bieten einige Unternehmen zum Beispiel Kochboxen im Abo-Modell an und bieten attraktive Rabatte für jede neue Erstbestellung an. Angebote wie diese locken aber nicht nur „echte“ Käufer – auch Online-Betrüger machen sich die Werbeoffensive zunutze.

Vor allem in den Wochen vor Weihnachten, die traditionell als die umsatzstärkste Zeit des Jahres gelten, beginnt sich die Zahl neu angelegter Konten zu häufen. Teilweise eröffnen Betrüger gleich mehrere bei demselben Shop, um mehrfach von den Weihnachtsangeboten zu profitieren. Diese Methode ist nicht verboten, treibt für den E-Commerce aber die Kosten in die Höhe – und zwar ohne gleichzeitig mehr Neukunden zu gewinnen. Viele hoffen außerdem durch den allgemeinen Umsatzanstieg länger unentdeckt zu bleiben, denn die Händler haben noch mehr damit zu kämpfen, jede Bestellung hinsichtlich eines potenziellen Betrugsversuchs zu überprüfen.

Eine von Riskified durchgeführte Analyse konnte offenlegen, dass Konten, die weniger als einen Tag alt sind, ein sehr viel höheres Risiko darstellen. Tatsächlich ist die Anzahl der Betrugsversuche, die von solchen neuen Accounts ausgehen, im Schnitt doppelt so hoch wie die von Gastkäufer. Im Vergleich zu treuen Kunden, die öfter bei einem bestimmten Onlineshop bestellen, ist das Risiko sogar dreimal so hoch.

Die „Empty Box“-Methode

Schätzungen zufolge werden in Deutschland jährlich rund 315 Millionen Online-Bestellungen retourniert. Vor allem im Rahmen der Weihnachtssaison kommt es zu extrem vielen Rücksendungen und einer Erhebung von Salesforce zufolge wurde im Corona-Jahr 2020 sogar damit gerechnet, dass ein knappes Drittel aller weltweiten Bestellungen wieder bei den Händlern landen wird. Gründe hierfür gibt es viele. Manchmal entspricht die gekaufte Ware nicht den Vorstellungen der Kunden oder Beschenkten. Manchmal passt sie nicht oder ist nicht mit bereits vorhandenen Geräten kompatibel.

In jedem dieser Fälle stellt es für Online-Käufer einen großen Vorteil dar, die Bestellung wieder zurückschicken zu können und im Gegenzug den Kaufpreis zurückzuerhalten. So haben sie stets die Sicherheit, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben, sollte das bestellte Produkt nicht voll und ganz ihre Erwartungen erfüllen. Für Händler stellt genau diese Option allerdings ein enormes Risiko dar – und das liegt vor allem an der Dreistigkeit einiger Kunden.

Um für eine größtmögliche Zufriedenheit zu sorgen, haben einige Onlineshops Richtlinien, die es erlauben, die Rückerstattung zu veranlassen, noch bevor die Retoure das Lager erreicht hat. Diese Kulanz machen sich Betrüger zunutze, indem sie eine Bestellung zurücksenden, doch anstatt den betreffenden Originalartikel in den Karton zu legen, versenden sie eine Fälschung oder wertlose Gegenstände wie zum Beispiel Steine. Einige Retouren erreichen die Händler sogar komplett leer, was als die „Empty Box“-Methode bezeichnet wird.

Hier erhalten die Shops als Dank für eine schnell abgewickelte Rückerstattung nichts als Luft und sind dann selbst dafür verantwortlich, die betreffenden Kunden zur Rede zu stellen – oft allerdings ohne Erfolg. Denn die Maschen der Online-Betrüger werden immer raffinierter. Nicht selten verschleiern sie ihre Kontodaten, um nicht aufzufallen, oder manipulieren die Versandetiketten des Retoure-Kartons.

Missbrauch von Rückerstattungen

Doch auch legitime Käufer, die schon oft bei einem bestimmten Onlineshop bestellt haben und bisher nie auffällig wurden, können die Händlern auf ihre eigene Weise um ihre Einnahmen bringen. In einigen Fällen umgehen sie die Shops, bei denen sie eingekauft haben, und fordern Zahlungsanbieter wie Paypal oder ihren Kreditkartenausgeber dazu auf, das Geld zurückzubuchen. Meistens wenden sie sich aber direkt an die Shop-Betreiber und schieben verschiedene Gründe vor, warum sie ihr Geld zurückerhalten möchten. Manche geben an, den bestellten Artikel nicht erhalten zu haben. Andere behaupten, die Lieferung sei falsch oder defekt bei ihnen angekommen. All das ist für Händler schwer nachzuprüfen. Außerdem besteht bei einer falschen Beschuldigung stets die Gefahr, dass Bestandskunden vergrault werden könnten – und das will am Ende kein Shop-Betreiber riskieren.

Autorin: Lev Gal ist derzeit als Senior Data Insights Analyst bei Riskified, Anbieter von Lösungen zur Betrugsprävention, tätig.

Experten gehen davon aus, dass tatsächlich etwa ein Zehntel aller Retouren betrügerisch sind. Gerade dann, wenn diese von treuen Käufern ausgehen, ist es für Händler ohne ausreichende Daten und Hilfsmittel jedoch nahezu unmöglich, diese zu erkennen. Kein Wunder also, dass für 40 Prozent von ihnen es als die derzeit größte Herausforderung empfinden, Richtlinienmissbrauch und sogenannte „Friendly Fraud“-Methoden aus den legitimen Rückerstattungen herauszufiltern.

Dass einige Shop-Betreiber wie beispielsweise der Online-Riese Amazon ihren Kunden sogar erlauben, Ware zu behalten, die diese eigentlich retournieren wollten, kommt erschwerend hinzu. Dies kommt gerade im Fall günstigere Produkte immer häufiger vor, da es sich für den Händler nicht lohnen würde, die Rücksendekosten zu übernehmen. Dadurch wird allerdings eine neue Lücke im System geschaffen, die allgemein bekannt ist und deshalb auch von treuen Käufern, die bisher keine negativen Auswirkungen auf das Geschäft hatten, ausgenutzt werden kann.