Wie Saturn & Co. per Serviceleistung in die Wohnzimmer ihrer Kunden kommen

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Was kompetente Beratung betrifft, haben Elektronik-Discounter bislang einen ähnlich schlechten Ruf wie Baumärkte: Dort einen Mitarbeiter zu finden, der sowohl Zeit als auch das nötige Wissen hat, die vielleicht sehr speziellen Fragen eines Kunden kompetent zu beantworten, schien manchen utopisch. Saturn und Media Markt versuchen seit Sommer 2018, diese Utopie wahr werden zu lassen.

Elektronik-Discounter spüren den Konkurrenzdruck der Internet-Anbieter besonders deutlich. Namentlich Versand-Riese Amazon unterbietet immer wieder mal die Angebote von Saturn und Co. Ladengeschäfte haben gegenüber Versendern nur zwei von den Kunden goutierte Alleinstellungsmerkmale: Die Möglichkeit, die Waren physisch in Augenschein zu nehmen und teils sogar auszuprobieren, und die Möglichkeit, sich von Experten beraten zu lassen. Von der Vor-Ort-Beratung enttäuschte Kunden, und alle, denen sie davon erzählen, messen dem zweiten Alleinstellungsmerkmal allerdings kaum noch eine Bedeutung bei. Dann genügt ein kleiner Impuls, und aus den Abholern werden Online-Shopper, die sich vor allem wegen des Preises für oder gegen den Kauf bei dem einen oder dem anderen Händler entscheiden.

Saturn und Media Markt bieten deshalb seit Juni 2018 eine Serviceleistung an, bei der reine Online-Versender (noch) nicht mithalten können: Sie liefern nicht nur Elektronik, sondern auch einen, der sich damit auskennt – frei Haus. Wer mit dem Aufbau eines Heimkino-Systems überfordert ist, nicht weiß, wie er seinen smarten Lautsprecher mit seiner Deckenbeleuchtung koppeln kann oder vor irgendwelchen anderen technischen Herausforderungen steht, kann in den Discounter-Märkten einen Heimservice ordern. Ein technisch versierter Berater kommt dann zum Kunden nach Hause und löst im Idealfall dessen Problem für ihn.

Eingekaufte Kompetenz

Freilich schicken die Discounter keine Mitarbeiter aus dem örtlichen Markt zu ihren Kunden, das würde die Lage vor Ort ja nur zusätzlich verschärfen. Stattdessen hat Ceconomy, der Mutterkonzern der beiden Elektronik-Discounter, im Jahr 2017 das Kölner Start-Up „Deutsche Technik-Beratung“ (https://www.deutsche-technikberatung.de/) übernommen. Die Deutsche Technik-Beratung beschäftigt rund 200 Techniker, die auf Anforderung zu den Mediamarkt- oder Saturn-Kunden fahren und ihnen vor Ort Unterstützung bieten.

Händler, die dem Beispiel der großen Elektronik-Discounter folgen wollen, müssen dazu kein Service-Unternehmen aufkaufen: Kooperationsverträge mit Fachbetrieben, die Gebiete abdecken, in denen der Händler Filialen betreibt, genügen, um seinen Kunden einen adäquaten Service zu bieten, ohne das eigene Personal zu überfordern oder aufzustocken.

„Herstellerunabhängige Services sind ein spannender Wachstumsmarkt, weil immer mehr Nutzer Produkte verschiedener Anbieter miteinander verknüpfen, zum Beispiel beim Thema Smart Home. Diese Produkte müssen installiert, erklärt, gewartet und repariert werden.“

Pieter Haas, stellvertretender CEO der Media-Saturn-Holding GmbH

Gratis ist diese Hilfeleistung für Kunden von Saturn und Media Markt übrigens nicht: 69 Euro kostet die Technikerstunde den Kunden, aber manchem, der mit der aktuellen Technik überfordert ist, dürfte es den Preis wert sein. Schließlich nähmen die meisten ja auch die Hilfe von Handwerkern in Anspruch, wenn der Wasserhahn defekt ist, oder eine Fensterscheibe einen Sprung hat.

Bei genauerem Hinsehen servieren die Elektronik-Discounter hier alten Wein in neuen Schläuchen: Die Mitarbeiter der kleinen Radio- und TV-Geschäfte kommen seit Jahr und Tag zu den Kunden ins Haus, stellen ihnen die Fernseher ein oder helfen ihnen bei Verständnisfragen – für viele der „kleinen“ Geschäfte sind diese Leistungen längst zur wichtigsten Erlösquelle geworden, weil sie wegen des wachsenden Preisdrucks durch Discounter und Online-Versender am Verkauf der Geräte kaum noch etwas verdienen.

Tatsächlich könnte das neue Service-Angebot der Elektronik-Discounter deshalb nicht nur die Abwanderung der Kunden zu Amazon und Co. verlangsamen, sondern, als Kollateralschaden, auch den kleinen Einzelhändlern Schwierigkeiten bereiten. Immerhin: Bei Stundensätzen von 69 Euro können die kleinen Radio- und Fernseh-Fachgeschäfte preislich noch mithalten. Und sie bieten oft eines, für das die Discounter, allen Mühen zum Trotz, noch keine wirkliche Lösung haben: Eine individuelle, und sogar kostenlose, Rundum-Beratung schon vor dem Kauf. (dme)