Für den stationären Einzelhandel ist es keine gute Zeit. Seit Jahren leidet er unter einem immer stärkeren Wettbewerb durch den Online-Handel und zu allem Überfluss kommen noch massive Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie hinzu. Der einzige Ausweg für viele Händler ist, selbst ein Online-Business aufzubauen. Um möglichst schnell starten zu können, entscheiden sich zahlreiche Händler für den Marktplatz von Amazon. Doch häufig macht sich bereits nach kurzer Zeit Frust und Resignation breit, denn oftmals erreichen die Umsätze auf Amazon bei weitem nicht die selbstgesteckten Ziele.
Nicklas Spelmeyer, Experte für den Online-Handel auf Amazon, kann dies bestätigen. „Für die meisten Händler scheitert das Experiment Amazon bereits nach einigen Wochen“, weiß Spelmeyer zu berichten. Seine Erklärung dafür ist, dass viele Händler unterschätzen, dass Amazon ein Haifischbecken ist, in dem nach ganz eigenen Regeln gespielt wird. Spelmeyer kennt diese Regeln aus eigener jahrelanger Erfahrung. Er hat selbst Umsätze in Millionenhöhe auf Amazon gemacht und weiß daher, welche Fallstricke beim Business über den weltgrößten Online-Händler lauern. Spelmeyer berät inzwischen Einzelhändler bei der Transformation ihres Geschäfts in die Online-Welt.
Grund 1: Sie übertragen den stationären Handel 1:1 auf Amazon
Der größte Fehler, den Händler bei dieser Transformation begehen können, so Spelmeyer, ist, ihr Geschäft 1:1 auf Amazon übertragen zu wollen. Das führt in der Praxis unweigerlich zum Scheitern. Der große Unterschied zwischen Amazon und einem stationären Geschäft ist die völlig anders gelagerte Wettbewerbssituation. Auf Amazon reicht es nicht, nur Produkte anzubieten. Händler müssen sich auf dem Marktplatz permanent gegen eine Vielzahl von Wettbewerbern durchsetzen.
Grund 2: Sie orientieren sich nicht an Wettbewerberpreisen
Die Problematik des Online-Verkaufs beginnt schon bei der Preisgestaltung. Im Gegensatz zum klassischen Einzelhandel, der eine relativ große Freiheit bei der Preissetzung genießt, müssen sich Online-Händler auf Amazon sehr stark an den Preisen des Wettbewerbs orientieren. Nahezu jedes Produkt hat einen direkten Wettbewerber, der nur einen Klick entfernt ist. Eine völlig neue Erfahrung für stationäre Einzelhändler.
Grund 3: Sie vermarkten keine Produkte unter Private Labels
Um die direkte Vergleichbarkeit beim Preis zu vermeiden, können Händler auf Private Label Produkte setzen. Die Vermarktung von „Standardprodukten“ über den eigenen Firmennamen macht den Preisvergleich für Kunden schwieriger und gibt Händlern die Preishoheit teilweise zurück.
Grund 4: Sie kennen sich nicht mit Online-Marketing aus
Nicklas Spelmeyer ist seit drei Jahren auf der Plattform Amazon als Verkäufer und berät inzwischen über 300 Kunden dabei, ihre Amazon-Präsenz zu optimieren. Sein Fokus liegt auf Marketing und Verkaufspsychologie. Spelmeyer ist außerdem Autor eines Fachbuches über Amazon-Shops und seit kurzer Zeit auch bei YouTube aktiv. Er sitzt mit seinem rund 10-köpfigen Team in Berlin.
Neben der Preisgestaltung sind frischgebackene Online-Händler häufig auch vom Marketing auf Amazon überfordert. Spelmeyer weiß aus zahlreichen Fällen, dass Online-Marketing für viele Händler absolutes Neuland ist. Besonders Händler mit Geschäften in guter Lage haben nicht selten gar keine Erfahrung mit Marketing. Für einen erfolgreichen Start auf Amazon keine gute Voraussetzung, denn hier ist man auf Werbung angewiesen. Ohne seine Produkte aktiv zu bewerben, bleibt man auf Amazon weitgehend unsichtbar, so Spelmeyer. Der große Vorteil eines Marktplatzes wie Amazon ist jedoch, dass man mit Werbung Tausende Menschen erreichen kann, die niemals das eigene Ladengeschäft besucht hätten.
Grund 5: Sie haben eine zu große Sortimentsbreite
Ein weiteres Feld, auf dem Amazon-Newcomer viel Lehrgeld zahlen, ist die Gestaltung des Sortiments. Stationäre Einzelhändler sind es gewohnt, mit Sortimenten von Hunderten Produkten umzugehen. Im Handel über Amazon ist eine derartige Sortimentsbreite kein Garant für Erfolg. Vielmehr ist es erfolgversprechend, sich auf eine kleine Auswahl an umsatzstarken und attraktiven Produkten zu beschränken und diese intensiv zu vermarkten. Viele Händler sind überrascht, so Spelmeyer, dass sie über Amazon plötzlich mit zehn Produkten mehr Umsatz machen als mit Hunderten in einem Ladengeschäft.
