Self-Checkout bleibt kontrovers

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Sieht man sich Self-Checkout-Systeme aus der Retailer und der Consumer-Sicht an, scheint auf den ersten Blick alles in bester Ordnung zu sein. Doch der erste Eindruck täuscht.

Beide,  Retailer und Kunden, haben zwar etwas davon, die Technologie führt zu Einsparungen auf der Personalseite, und eilige Kunden können ihren Einkauf sehr schnell abschließen – egal, ob sie nur ein paar Produkte oder einen vollgepackten Einkaufswagen mitnehmen wollen. Mit dem mobilen Scanner alles schnell einscannen oder eine stationäre Self-Scan-Station aufsuchen, am besten mit Kreditkarte zahlen, und schon ist man wieder draußen. Schlange stehen muss man in der Regel nur an den traditionellen, mit Personal besetzten Kassen, selbst wenn diese die Produkte in Aldi-oder Lidl-Geschwindigkeit scannen.

Ausgehend von den USA gibt es seit etwa 15 Jahren Self-Checkout-Systeme im Handel, aber flächendeckend haben sie sich nirgends durchgesetzt, auch in den USA nicht. Kunden schätzen es dort zum Beispiel als Extra-Service, wenn an der Kasse alles eingescannt und von einer zweiten Person in Tüten oder Tragetaschen verpackt wird. Außerdem gibt es Zeit für ein kurzes Gespräch, Fragen oder einen Scherz. Noch besser, wenn man „seine“ Kassiererin beim Einkauf wiedertrifft. Die Bedeutung solcher kleinen Alltagsszenen sollte man nicht unterschätzen in einer entpersonalisierten Gesellschaft, in der immer mehr Menschen alleine leben. Anders gesagt: Die Supermarktschlange und -kasse haben eine soziale Funktion.

Da dürfte es weniger eine Rolle spielen, dass viele Kunden so ihre Schwierigkeiten bei dem Umgang mit den automatischen Kassen haben. Die Self-Checkout-Prozedur verlangt die Bedienung eines Bildschirms, und man wird vor Entscheidungen gestellt. Manchmal muss man auch unverlangte Werbung wegklicken, bevor man bezahlen kann. Das alles ist erlernbar.

Der Markt für Self-Checkout-Terminals wächst seit Jahren laut Aussagen der Hardware-Hersteller im zweistelligen Bereich, besonders die großen Retail-Ketten integrieren solche Systeme heute bei Neueröffnungen von Anfang an in ihre Läden oder sie rüsten sie später nach. Für viele Kunden ist es inzwischen bei der Wahl eines Retailers entscheidend, ob er solche alternativen Checkout-Systeme installiert hat.

Express-Kassen für Kunden mit einer begrenzten Anzahl von Produkten waren die erste Auflockerung des strengen (und Zeit raubenden) Kassenregimes von einst. Danach kamen mobile Self-Scanner für den Einkaufsprozess und eigens dafür eingerichtete, bediente Self-Checkout-Systeme, bei denen man nicht mehr alles aus dem Einkaufswagen nehmen und nach dem Scannen durch die Kassenkraft wieder in den Wagen oder in Einkaufstaschen legen musste. Dieses Angebot wurde in vielen Läden schnell populär und musste bald wieder mit Schlangestehen bezahlt werden. Eine weitere Alternative neueren Datums sind Selbstbedienungskassen, an denen man alle Produkte selbst einscannen muss – gedacht für Kunden mit nur ein paar Produkten.

Genauer bedacht, ist das schnelle Betreten und Verlassen eines Geschäftes gar nicht im Sinne der Eigentümer. Lange Jahre haben sie Konzepte entworfen und wieder umgestürzt, nach denen es besondere Plätze in einem Laden gibt, wo man bestimmte Produkte platzieren muss, damit der Kunde in aller Ruhe – zum Beispiel beim Schlangestehen vor der Kasse – noch das Eine oder Andere in seinen Einkaufswagen wirft. Bei Obst und Gemüse – meistens in der Nähe des Eingangs platziert –, bei Süßigkeiten und Alkoholika haben sich die Kunden daran gewöhnt, an diesen bestimmten Plätzen herumzustöbern. Auch macht es einen „modernen“ Supermarkt aus, dass man gewöhnlich nicht einfach geradeaus laufen kann, sondern sich einem verwinkelten Gängewirrwarr zurechtfinden muss. Insofern dürfte es eine Utopie bleiben, dass es bald nur noch mobile Self-Checkout-Kassensysteme geben dürfte.

In den USA haben sich einige Retail-Ketten denn auch wieder von ihren Self-Checkout-Apparaturen getrennt. Zu ihnen gehören Big Y Foods, Jewel-Osco, Albertsons, Costco und andere, wie „Progressivegrocer“ mitteilte. Albertsons gab zum Beispiel Kundenklagen als Grund für diesen Schritt an. Und Big Y verwies auf Scanning-Probleme und steigende Diebstahlquoten, weil keine Kassiererin mehr etwas Illegales im Einkaufswagen entdecken kann. In Großbritannien hat die Supermarktkette Morrisons 2015 ihre Kunden befragt: 60 Prozent von ihnen gaben an, dass sie eine bediente Kasse einem Self-Checkout vorziehen würden. Morrisons reagierte und hat in seinen Läden 1.000 neue bediente Express-Checkouts eingerichtet. Viele Kunden von Morrisons gaben als Grund für ihre Wahl übrigens an, dass sie auf ein kleines Gespräch an der Kasse Wert legen würden.

Ken Morris von dem Consulting-Unternehmen Boston Retail Partners zog angesichts der wechselhaften Situation folgendes Fazit: „Self-Checkout mag für einige Händler richtig sein und für andere nicht, oder an einigen Orten und an anderen nicht.“ John Karolefski von Progressivegrocer ergänzt: „Self-Checkout mag für einige Kunden richtig sein, aber für andere nicht.“

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