Mehr als eine Milliarde Nachfrager auf der einen, ein riesiges, niedrigpreisiges Angebot an andernorts gefragten Waren auf der anderen Seite machen China zu einem der attraktivsten Marktplätze weltweit. Doch das Abenteuer China birgt auch seine Herausforderungen.
China ist offener, als mancher glauben mag. Eine rasant wachsende, kaufkräftige Mittelschicht bezieht Waren aus dem globalen Ausland. Das Marktvolumen liegt derzeit bei 85 Milliarden US-Dollar, bis zum Jahr 2020 könnte es sich annähernd verdoppeln. In China gefragt sind hochwertige Produkte bekannter europäischer Marken: Armbanduhren aus der Schweiz, Unterhaltungselektronik, Autos, aber zum Beispiel auch Babynahrung. Wer als deutscher Händler ins Reich der Mitte expandieren möchte, braucht allerdings einen langen Atem und mindestens einen starken Partner.
An Alibaba führt kein Weg vorbei
Der stärkste unter den potentiellen Partnern ist der chinesische Internet-Riese Alibaba https://german.alibaba.com/ , über dessen Vertriebsplattform Tmall bereits allein mehr als 400 Millionen Chinesen zu erreichen sind. Große deutsche Handelsunternehmen haben die Plattform inzwischen für sich entdeckt: Aldi Süd verkauft seine Produkte ebenso über Tmall nach China wie Henkel oder Rossmann.
Tmall teilt sich bei näherer Betrachtung in zwei Marktplätze: „Tmall Classic“ ist ein Marktplatz für Unternehmen, die bereits in China ansässig sind und vor Ort Mitarbeiter und Filialen haben, und natürlich eine Lizenz für den Handel in China. Wer auf Tmall Classic verkauft, hat die ersten großen Schritte auf den chinesischen Markt bereits hinter sich. Der andere Marktplatz heißt „Tmall Global“ und richtet sich an ausländische Unternehmen, die ihre Waren grenzüberschreitend nach China exportieren wollen.
„Die wahre Handelsrevolution findet in Zukunft im Osten statt. Die Expansion der chinesischen Onlinegiganten wird auch für die deutsche Handelslandschaft nicht ohne Folgen bleiben.“
Rainer Münch, Partner der Managementberatung Oliver Wyman http://www.oliverwyman.de/
Überrascht ist mancher europäische Händler über die erfolgsentscheidenden Gepflogenheiten im Online-Marketing für diese Plattformen: Suchmaschinenoptimierung – für die in China hauptsächlich genutzte Suchmaschine Baidu etwa – ist nahezu irrelevant, weil Alibaba deren Suchbots von seinen Marktplätzen ausgesperrt hat. Wer in China nach Produkten sucht, nutzt statt Baidu direkt die Suchfunktion von Tmall oder Alibabas anderer Plattform Taobao. Neben einem auf diese Plattformen spezialisierten SEO empfiehlt sich auch das Bereitstellen eines Werbebudgets für die Suchwort-Vermarktung: Alibaba betreibt nicht nur die größten Handelsplattformen, sondern verdient auch daran, die Auffindbarkeit der Produkte auf seiner Plattform zu garantieren.
China als Lieferant
Auch der umgekehrte Weg – aus chinesischen Fabriken auf den deutschen Markt – führt nicht an Alibaba vorbei. Über Alibaba können Händler, die chinesische Produkte in Deutschland verkaufen wollen, Kontakte zu deren Herstellern in China etablieren und sämtliche Vertrags-, Liefer- und Zahlungsvorgänge abwickeln. In vielen Fällen lassen sich solche Geschäfte als Dropshipping abwickeln: Der deutsche Händler bietet die Waren – etwa über seine Website oder einen Marktplatz wie Ebay oder Amazon – seinen deutschen Kunden an, nimmt die Bestellungen entgegen und leitet sie an seinen chinesischen Partner weiter. Der fertigt und liefert die Bestellung dann direkt an den Kunden aus. Der deutsche Partner spart sich damit Versandlogistik und Lagerhaltung.
Solche Dropshipping-Geschäfte bergen allerdings Risiken: Liefert der chinesische Partner mangelhafte Ware, oder liefert er gar nicht, erfährt der deutsche Partner das erst, wenn es zu spät ist, nämlich wenn der Kunde reklamiert.
Bevor ein Händler daher eine vertragliche Bindung zu einem Hersteller eingeht, sind deshalb gründliche Nachforschungen unverzichtbar: Was lässt sich über den Hersteller in Erfahrung bringen? Lässt sich ein persönlicher Kontakt herstellen? Mitunter – speziell, wenn es um hohe Auftragsvolumen geht – ist ein Besuch vor Ort unverzichtbar. Wer eine vereinbarte Produktqualität sicherstellen will, sollte außerdem die Kooperation mit einem Dienstleister für Qualitätsprüfungen vor Ort suchen. Von Chinaqualitycheck bis zum TÜV Rheinland bieten diese Unternehmen Inspektionsdienste in einem frei wählbaren Umfang an. (dme)