„Alle großen Retailer sind unsere Kunden“

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Der Wandel ist spürbar, dessen ist sich Bernd Büker sicher. Doch bisweilen geht er arg ­langsam vonstatten, wie uns der DACH-Chef Retail bei Diebold Nixdorf beim ­Redaktionsgespräch verriet. Zudem gibt Büker eine Einschätzung der technologischen ­Entwicklung ab und weist auf die Rolle von Diebold Nixdorf hin.

Jedes Jahr Anfang Januar findet die große internationale Retail-Messe „Big Show“ der amerikanischen NRF (National Retail Foundation) statt. ­Alles, was Rang und Namen in der Branche hat, ist dort regelmäßig vertreten. Sie waren auch da dieses Jahr. Was war ­Ihr Eindruck von den wichtigen Themen und Trends auf der diesjährigen Veranstaltung?

Büker: Die NRF hat sich etabliert als die bedeutsamste Retail-Messe, mit sehr vielen Ausstellern, interessanten Fachvorträgen und vielen Networking-Möglichkeiten – inklusive einem gewissen Schaulaufen der großen Anbieter. Der Zeitpunkt zu Beginn des Jahres ist ebenfalls gut gewählt: Es kommen die ersten Umsatzzahlen des Vorjahres herein, und man sieht, wie sich die Retailer und deren Lieferanten geschäftlich entwickelt haben. Die NRF wird auch zunehmend von deutschsprachigen Retailern aus der DACH-Region frequentiert.

Und was waren die großen Trends 2018?
Ein großes Thema war Big Data. Alle bewegen die Fragen: Wie kann man aus den riesigen Datenmengen, die über die Kunden generiert werden, die jeweilige Customer Journey unterstützen und vorantreiben? Und wie kann man die verschiedenen Kanäle, auf denen Händler aktiv sind, noch besser steuern und zusammenbringen? Das Sammeln von Daten allein reicht nicht, sondern man muss sich die Frage beantworten: Was macht man damit überhaupt? Das Handelsformat der Zukunft wird im Moment etwas bestimmt durch Amazon Go: In den neuen physischen Stores – zunächst in den USA – sind die Kunden nach einer Identifizierung am Eingang in einer mitarbeiterlosen Umgebung unterwegs; alles wird durch Sensoren gesteuert und überwacht. Der Checkout läuft automatisch ab. Der Kunde packt ein, was ihm gefällt, und verlässt den Laden wieder. Der Endbetrag wird von seinem Konto abgebucht. Viele Hersteller und Retailer, das war mein Eindruck in New York, sind bereit, auf diesem Weg voranzuschreiten.

Amazon ist dabei, sich etwas vom reinen Internet-Shopping abzuwenden: das sieht man neben Amazon Go an den neuen Buchläden sowie an der Akquisition von WholeFoods, der US-Handelskette für Bio- und exquisite Lebensmittel.

Der Kauf von WholeFoods durch Amazon ist ein Beleg dafür, dass Händler ihre Kunden auch in einem physischen Store abholen müssen. Nur Online ist an seine Grenzen gekommen. Viele Kunden wollen einfach ein Einkaufserlebnis, das es ihnen erlaubt, Produkte anzufassen, wenn nötig anzuprobieren. Wir erwarten, dass weitere Online-Händler in physische Stores investieren.

Welche Rolle spielte das Thema Self-Checkout?

In anderen Ländern ist man da schon viel weiter als hierzulande. Self-Checkout-Systeme gehören oft schon zum Standard. Aber in Europa werden häufig oft nicht angenommen. Viele Leute stehen lieber etwas in der Schlange und warten.
Wir kümmern uns mit einem eigenen strategischen Programm um solche Entwicklungen. Unsere Grundaussage lautet: Der Checkout der Zukunft wird anders aussehen. Es wird eine Kombination von verschiedensten Checkout-Möglichkeiten geben, abhängig von der Customer Journey, den Kundenanforderungen und -bedürfnissen. Wir unterstützen zum Beispiel Ikea sehr intensiv bei seinen Self-Checkout-Installationen. Bei einigen Handelsunternehmen sehen wir das Phänomen, dass sich an den Self-Checkout-Systemen zum Teil Schlangen bilden, ,traditionelle‘ Kassen aber gleichzeitig frei sind, weil die Kunden lieber selbst alles kontrollieren wollen. Diese Entwicklung ist bereits auch in den USA zu sehen. Ich glaube, wir werden künftig hybride Situationen sehen, mit denen der Händler dem Kunden verschiedene Checkout-Möglichkeiten anbietet. Der Kunde hat dann die Wahl und kann – wenn er möchte – den Prozess selbst kontrollieren. Die Realität sieht doch aber anders aus. Bei den großen Discountern in Deutschland gehören 30 Minuten Warten in der Schlange zur Normalität. Self-Checkout wollen sie einfach nicht einführen.
Wir sehen gerade bei den Discountern im Ausland – nicht in Deutschland – einen Prozess der Bewusstseinsänderung: Immer mehr arbeiten dort auch mit Self-Checkout neben den traditionellen Kassenzonen.

Diebold Nixdorf spricht von “Store­revolution“. Was ist darunter genau zu verstehen?

Der Checkout-Prozess wird in der Zukunft anders aussehen. Wir sehen disruptive Prozesse auf uns zukommen, die mehr einer Revolution als einer Evolution im Handel entsprechen. Wir unterstützen sowohl Weiterentwicklungen der bestehenden Technologie wie auch radikale Veränderungen wie im Beispiel Amazon Go angesprochen. Zusammen mit unseren Kunden entwickeln wir in Innovations-Workshops neue Wege und Methoden, wie der Einkauf in der Zukunft aussehen könnte, führen Tests durch und entwickeln darauf basierend ein maßgeschneidertes Konzept für die Instore-Technologie und den Checkout – immer bestehend aus Hardware, Software und Services. Alle großen Retailer, auch international, sind unsere Kunden, und wir unterstützen sie bei diesen disruptiven Prozessen.

Wie baut sich Ihre Kundenlandschaft genau auf? Sicher haben Sie neben den großen Retailern noch weitere Kundengruppen?
Wir sind ein Unternehmen, das sich auf Tier-1-Kunden fokussiert. Je internationaler Kunden sind, desto besser können wir sie unterstützen. Wir sind in 130 Ländern präsent und bieten überall die gleichen Assets und den gleichen Support an, was gerade den international aufgestellten und expandierenden Retailern hilft. Natürlich bieten wir unser Portfolio auch für kleinere Retailer an, machen das aber nicht selbst, sondern über Partner.

Ist diese Konzentration auf die großen internationalen Retailer nicht auch etwas gefährlich? In diesem lukrativen Geschäftsbereich tummeln sich natürlich auch gewichtige Konkurrenten. Wettbewerb belebt das Geschäft. Bezogen auf unsere Industrie könnte man hinzufügen: „und sorgt für Innovation.“ Wir fühlen uns im Wettbewerb gut positioniert Zum einen, weil wir stark in Neuentwicklungen investieren, zum anderen, weil unser Portfolio aus Hardware, Software, Services und Consultingleistungen in diesem Leistungsumfang kein Mitbewerber anbieten kann. Wir haben sogar einige Kunden, für die wir den kompletten ­IT-Betrieb ihrer Stores durchführen. Für weltweit agierende Händler ist es ein großer Vorteil, einen IT-Dienstleister an ihrer Seite zu haben, der sie in jedem Land mit identischen Leistungen unterstützt.

In einem so lukrativen Markt gibt es aber auch ständig die Gefahr, dass man auf­gekauft wird. Diebold Nixdorf ist ja selbst erst 2016 aus einem Merger zwischen der amerikanischen Diebold und der deutschen Wincor Nixdorf hervorgegangen.
Durch diese Fusion haben wir in der Tat eine ganz andere Präsenz und Stärke am Markt, als die beiden einzelnen Unter­nehmen vorher. Unsere „Connected Commerce“-Strategie verbindet die Welt des Handels mit der Bankenwelt und schlägt eine Brücke von der physischen in die digitale Welt des Zahlungsverkehrs. Am Gesamtumsatz von Diebold Nixdorf liegt der Retail-Bereich momentan knapp über 20 Prozent, mit starken regionalen Unterschieden und enormen Wachstumschancen vor allem in den USA.

Was meint „Connected Commerce“ ­genau?
Alle Prozesse und Transaktionen, die wir auf der Banken- und auf der Retail-Seite abwickeln, hängen inhaltlich zusammen, am Ende laufen sie natürlich bei den Payment-Funktionen zusammen. Auch in ­diesem Bereich ist der Markt aktuell stark in Bewegung, und mit Themen wie der Einführung von Mobile oder Instant Payments sind wir bei Banken und Retailern gut unterwegs.